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Rowan Atkinson ("Mr. Bean") vergleicht Cancel Culture mit mittelalterlichem Mob
Seit dem vergangenen Jahr ist vermehrt das Phänomen der sogenannten Cancel Culture zu beobachten. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem angelsächsischen Sprachraum, hat 2020 allerdings auch vermehrt in Deutschland Debatten ausgelöst. Cancel Culture bezeichnet den Abbruch der Unterstützung für eine Person oder ein Produkt, weil man mit deren Inhalt beziehungsweise Haltung nicht einverstanden ist. Meistens wird diese Praxis in sozialen Netzwerken durch einen Shitstorm ausgelöst und anschließend von klassischen Medien aufgegriffen. Im extremsten Fall führt dies zur Entlassung der attackierten Person oder dazu, dass Serien abgesetzt oder aus dem Programm genommen werden. Dieser fragwürdige Trend stößt allerdings auch auf Widerstand. So fand jetzt der britische Schauspieler Rowan Atkinson (bekannt als "Mr. Bean" und "Johnny English") deutliche Worte.
In einem Interview mit der Radio Times vergleicht Atkinson die Tastatur-Kriegerin sozialen Netzwerken mit einem mittelalterlichen Mob, der durch die Straßen zieht und nach jemandem sucht, der verbrannt werden kann. Der Schauspieler, der derzeit für Netflix die Serie "Man vs Bee" produziert, macht die Plattformen für eine stärkere Polarisierung verantwortlich und blickt besorgt darauf, was das in Zukunft für die Meinungsfreiheit bedeuten könnte. Das Problem, das wir online haben, ist, dass ein Algorithmus darüber entscheidet, was wir sehen möchten. Dies führt letztendlich zu einer stark vereinfachten, binären Sicht auf die Gesellschaft. Du bist entweder für uns oder gegen uns. Und wenn du gegen uns bist, verdienst du es, gecancelt zu werden, erläutert Atkinson. Seiner Ansicht nach sei es aber wichtig, ein breites Meinungsspektrum zu bewahren. Rowan Atkinson ist nicht der erste Comedian, der sich gegen Cancel Culture ausspricht. Bereits im Juli 2020 sagte "Monty Python"-Legende John Cleese, dass die Vertreter der Cancel Culture das Hauptziel des Lebens missverstehen, das darin bestünde, Spaß zu haben. Jede Form von Humor ist kritisch. Wenn Sie jemanden haben, der vollkommen nett und intelligent ist und sich immer angemessen verhält, ist er nicht lustig. Bei Funniness geht es um Leute, die das nicht tun, wie Trump.Die zunehmende politische Korrektheit habe dazu geführt, dass Comedians anfangen, sich mit ihrer Messlatte daran zu orientieren, was die empfindlichsten, emotional instabilsten und zerbrechlichsten Menschen des Landes sagen.Die BBC bezeichnete er als feige und memmenhaft, nachdem die Sendeanstalt zwei umstrittene Folgen des Serienklassikers "Fawlty Towers" aus dem Programm nahm. Ricky Gervais ("After Life") sieht die Sache ähnlich. In einem Interview mit der Times Radio sagte er, dass er vermutlich heutzutage eine Serie wie "The Office" nicht mehr machen könnte, ohne von Mobs der Cancel Culture attackiert zu werden. Die Serie würde darunter leiden, dass Leute die Dinge wörtlich nehmen. Es gibt diese empörten Pöbel, die Dinge aus dem Zusammenhang reißen, so Gervais. Es war eine Serie, in der es um alles ging: Um Unterschiede, um Sex, um Herkunft - all die Dinge, die viele Leute heutzutage überhaupt nicht mehr anzusprechen oder zu diskutieren wagen - aus Angst davor, das Falsche zu sagen und gecancelt zu werden.Gervais beklagt die Tatsache, dass es heutzutage keine Nuancen oder Diskussionen über Comedy mehr gebe, sondern nur noch zwei Stämme von Menschen, die laut brüllen. Einige Leute interessieren sich gar nicht für das Problem, sie wollen nur den Streit gewinnen. Die Cancel Culture führte dazu, dass diverse Sender und Streamingdienste bestimmte Serien und Filme aus dem Programm nahmen. Prominente Beispiele sind etwa die Comedy "Little Britain" sowie einzelne Folgen von "30 Rock", "Community" und "Golden Girls" - vorranging aufgrund umstrittener Blackfacing-Szenen. Auch deutsche Produktionen gerieten wegen angeblich rassistischer Inhalte nachträglich in die Kritik, darunter "Otto - Der Film" und "Switch Reloaded". Comedian Michael Kessler sprach sich in der Neuen Osnabrücker Zeitung für die Kunstfreiheit aus: Wir können uns als Künstler keine Fesseln anlegen lassen, nicht in der Satire und nicht in der Parodie.Seiner Ansicht nach leben wir inzwischen in einem Zeitalter der Empörung, in dem viele ständig alles kritisieren und immer weniger erlaubt sein soll. Wenn wir Künstler das mitmachen, ist es das Ende von Kunst und Satire. Konkrete Vorwürfe gab es bezüglich eines alten "Switch Reloaded"-Sketches, in dem Kessler Florian Silbereisen parodiert und gegenüber seinem Kollegen Bernhard Hoëcker, der als schwarzer Rapper 50 Cent auftrat, das N-Wort verwendete. Auch darin sieht Kessler eine Fehlinterpretation: Es geht uns doch nicht darum, Minderheiten zu denunzieren. Unser Team wägt bei jedem Sketch genau ab; und es gibt eine Gürtellinie, unter die wir nicht gehen. 05.01.2021 - Glenn Riedmeier/TV Wunschliste Bild: Toby Hancock/Rex [www.wunschliste.de] In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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