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Vagina-Flöte beim "Supertalent": Kalkulierter Skandal kein Verstoß gegen Jugendschutz
Als RTL am vergangenen Samstag nach einer mehr als zweijährigen Pause "Das Supertalent" zurückbrachte, dürfte dem Sender vor allem daran gelegen gewesen sein, für möglichst viel Gesprächsstoff zu sorgen. Dies ist der Castingshow gelungen, denn aller Voraussicht nach nicht zufällig beinhaltete die erste Folge der neuen Staffel einen Auftritt, den viele Zuschauer als geschmacklos und anstößig empfanden - und der sogar den Jugendmedienschutz beschäftigte.
Um diesen Auftritt geht es: Die australische Künstlerin Beatrice McQueef wurde für die deutsche Castingshow engagiert und präsentierte vor laufenden Kameras ihr besonderes "Talent". Sie entblößte sich untenrum und führte kopfüber eine Blockflöte in ihre Vagina ein. Daraufhin spielte sie auf diese Weise einige Töne des Kinderlieds "Alle meine Entchen" - vor gleichermaßen entsetzten und irritierten Gesichtern der Jury und des Publikums. Die Ausstrahlung des bizarren Auftritts geschah allerdings bereits entschärft: Die intimen Körperzonen der Australierin wurden mit einem Igel unkenntlich gemacht - und Minderjährige mussten vor Ort das Studio verlassen. Trotz dieser Vorkehrungen war RTL mit diesem Auftritt ein großer Aufreger sicher und die entsprechenden Schlagzeilen ließen nicht lange auf sich warten. Die BILD titelte Jetzt ist RTL komplett durchgeknallt!, die Süddeutsche Zeitung ließ sich gar zur Schlagzeile Eklat beim 'Supertalent' - Haftet RTL für unsere Kinder?hinreißen. Dies alles kann natürlich knallhartes Kalkül von RTL sein und die gesteigerte Aufmerksamkeit für "Das Supertalent" spielt dem Sender letztendlich in die Karten. Gegenüber der SZ äußerte sich RTL auf Anfrage fast schon erwartungsgemäß arglos: Dem Sender sei bewusst gewesen, dass der Auftritt von Beatrice McQueef bei 'Das Supertalent' unterschiedliche Reaktionen hervorrufen könnte. Man habe allerdings nicht auf ihr ungewöhnliches Talent, die Blockflöte durch Akrobatik und den Einsatz ihres Beckenbodens zu spielen, verzichten wollen. Dies sei schließlich einzigartig und zeige, dass "Das Supertalent" Raum für vielfältige Darstellungen biete. Nichtsdestotrotz drohte RTL Ärger. Denn der Fall beschäftigte seit Sonntag die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM). Es seien mehrere Programmbeschwerden aufgrund der entsprechenden Szene eingegangen. Das verantwortliche Team Jugendmedienschutz bewertete den Auftritt "juristisch und unter Gesichtspunkten der Medienwirkung auf Kinder und Jugendliche". Dabei wurde die Frage geklärt, ob hier ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutzes vorliegt. Am Dienstagnachmittag liegt nun bereits das Ergebnis der Untersuchung vor: Gegenüber DWDL erklärte die NLM, dass kein Anfangsverdacht auf einen Verstoß gegen Bestimmungen des Jugendschutzes in Rundfunk und Telemedien vorliege. Begründet wird dies einerseits damit, dass es sich nicht um einen Fall von Pornografie handle. Dies liege dann vor, wenn die Gesamttendenz ausschließlich auf sexuelle Stimulation angelegt ist - was bei dem entsprechenden "Supertalent"-Auftritt nicht gegeben sei. Darüber hinaus sei bei der Bewertung entscheidend, ob die im Einklang mit allgemeinen gesellschaftlichen Wertevorstellungen gezogenen Grenzeneindeutig überschritten wurden - auch dies sei nicht gegeben. Darüber hinaus handle es sich nach Einschätzung der NLM auch nicht um einen potentiell entwicklungsbeeinträchtigenden Medieninhaltfür Zuschauer ab zwölf Jahren, so dass eine Ausstrahlung ab 20.15 Uhr kein Problem gewesen sei. Was die NLM darüber hinaus zu dem Fall gegenüber DWDL sagte, ist äußerst bemerkenswert. Zwar könne der entsprechende Auftritt beim "Supertalent" als irritierendempfunden werden, allerdings sehe man keine Gefahr der Nachahmung. Die australische "Musikerin" sei zudem keine (attraktive) Identifikationsfigur für Kinder und Jugendlicheund die Show habe nichts mit dem Alltagzu tun. Dies könne auch schon von Zuschauern im Alter von zwölf Jahren so rezipiert werden. Auch die eingeblendete Reaktion des Studiopublikums, die als angewidert und entsetzt beschrieben wird, fördere keine Nachahmung. Der Auftritt könne daher bestenfalls als geschmacklos betrachtet werden - es sei aber nicht Aufgabe der Medienaufsicht, Geschmacklosigkeiten zu sanktionieren. RTL ist somit einer möglichen Beanstandung und einem Bußgeldverfahren entgangen. Am treffendsten wurde der kalkulierte Skandal von Medienpsychologe Prof. Jo Groebel gegenüber der BILD zusammengefasst: Die von RTL vor ein paar Jahren ausgerufene Seriosität ist offenbar nicht so erfolgreich gewesen wie die Tabubrüche vor 10 oder 15 Jahren.Daher sei der Sender zu alten Strategien zurückgekehrt - und wird dafür sogar belohnt. 30.01.2024 - Glenn Riedmeier/TV Wunschliste Bild: RTL/Stefan Gregorowius [www.wunschliste.de] In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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