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Nach Eklat und Strafanzeige von Ikke Hüftgold: Sat.1 stellt "Plötzlich arm, plötzlich reich" ein
Vergangenen Montag machte Matthias Distel, besser bekannt als Party-Schlagersänger Ikke Hüftgold, verheerende Missstände während der Produktion des Sat.1-Formats "Plötzlich arm, plötzlich reich" öffentlich. In einem ausführlichen Video und einem schriftlichen Statement führte er aus, wie bei der Imago-TV-Produktion wissentlich mit einer Familie mit traumatisierten Kindern gedreht wurde (TV Wunschliste berichtete). Er brach den Dreh ab und warf den Verantwortlichen vor, das Kindeswohl mit Füßen zu treten und eine gewissenlose Quotenjagd auf dem Rücken missbrauchter Kinderzu machen. Seitdem ist in den vergangenen Tagen einiges passiert. Und nachdem sich Sat.1 zunächst in den sozialen Netzwerken äußerst fragwürdig zu dem Fall geäußert hat, traf der Sender nun die Entscheidung, das Format einzustellen. Auf Twitter und Instagram gab der Sender am Samstagmittag folgendes Statement ab: Die Aufarbeitung des letzten Drehs von 'Plötzlich arm, plötzlich reich' läuft noch. Es steht aber außer Frage, dass hier Fehler passiert sind, für die wir die Öffentlichkeit und die Familie um Entschuldigung bitten. Doch damit ist es nicht getan. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass diese Sendung nicht mehr zu dem SAT.1 passt, das wir gemeinsam mit und für unsere Zuschauer:innen weiterentwickeln wollen. Deshalb wird es keine neuen Folgen geben, gedrehte Folgen werden wir nicht zeigen. An oberster Stelle steht das Wohl der Kinder und der Familie, mit der wir in engem Austausch stehen. Auch in den Monaten, die vor uns liegen, werden wir die Familie bestmöglich in ihrem Sinne finanziell und menschlich unterstützen. Es war und ist niemals Ziel von SAT.1 Menschen zu verletzen. Wir stehen für Unterhaltung mit Herz. Zu unserem Selbstverständnis gehört die Bereitschaft, Dinge zu verändern und uns zu verbessern. Daran werden wir weiterhin arbeiten. Zahlreiche Zuschauer und Prominente sprachen Matthias Distel ihre Unterstützung aus und lobten ihn für den Mut, die schockierenden Zustände an die Öffentlichkeit gebracht zu haben. Die Produktionsfirma Imago TV hat wiederum teilweise den Aussagen von Matthias Distel widersprochen und warf dem Sänger vor, eine "Verleumdungskampagne" gestartet zu haben, da er darin teilweise falsche Tatsachen behaupten würde. Die konkreten Missbrauchs-Vorwürfe des Vaters an seinen Kindern seien erst während des Drehs bekannt geworden. Distel betonte in den vergangenen Tagen mehrfach, dass er genügend Beweise habe, um seine Behauptungen zu belegen. Es hätten sich sogar ehemalige Imago-TV-Mitarbeiter bei ihm gemeldet, die bereit seien, vor Gericht gegen ihren früheren Arbeitgeber auszusagen. Auch weitere Familien, die an anderen Folgen der Sendung mitgewirkt haben, hätten bereits Kontakt zu ihm aufgenommen. Er forderte eine lückenlose Aufarbeiten des Falls und eine Entschuldigung von der Produktionsfirma. Ich lasse mich nicht in der Öffentlichkeit als Lügner beschimpfen.Anderenfalls werde er die Firma definitiv zerlegen. Zwischenzeitlich hat sich auch eine Redakteurin von dem Dreh distanziert und bereut, an der Produktion beteiligt gewesen zu sein. Matthias Distel stellte Strafanzeige gegen Sender und ProduktionsfirmaAm Donnerstag erstattete Matthias Distel schließlich bei der Polizei in Limburg Strafanzeige gegen den Sender Sat.1 und die Produktionsfirma Imago TV. Im Gegenzug erhielt Distel von Imago TV eine Unterlassungserklärung. Die Firma forderte ihn auf, Teile seines veröffentlichten Videos über die Zustände bei den Dreharbeiten offline zu nehmen, das den Stein ins Rollen brachte und inzwischen mehr als elf Millionen Aufrufe bei Instagram, Facebook und YouTube erreicht hat. Gegenüber dem Express behauptete Imago TV, dass es nicht der Wahrheit entspräche, dass eines der Kinder sich während des Drehs absichtlich Verletzungen am Kopf beigebracht habe und ein anderes Kind mit Selbstmord gedroht habe. Herr Distel behauptet dies wider besseres Wissen, zumal er bei dem Dreh mit den Kindern gar nicht anwesend war.Die Produktionsfirma wirft Distel gar vor, sich medienwirksam als vermeintlicher Beschützer von Kindern in Szenezu setzen. Ganz anders beschreibt dies ein Mitarbeiter, der beim Dreh vor Ort gewesen war, gegenüber der SZ. Demnach sei die Situation der Familie in Distels Haus sehr wohl eskaliert und habe eine Dauerüberlastung für alle dargestellt. Gegenüber der SZ gestand Imago-TV-Geschäftsführerin Andrea Schönhuber inzwischen gravierende Fehleinschätzungenein. Demnach habe man von der häuslichen Gewalt und der psychischen Instabilität der beiden jüngeren Kinder tatsächlich gewusst, aber nicht von dem Ausmaß. Schönhuber kündigte an, gerade sehr selbstkritischpersonelle Konsequenzen zu prüfen. Zudem wolle man beleuchten, wie wir unser eigenes System schärfen könnenund künftig einen festen Jugendschutzbeauftragten zur Unterstützung der Redaktionsmitarbeiter einstellen. Bevor Sat.1 zu der späten Einsicht gelangt ist, verhielt sich der Sender zum wiederholten Mal unprofessionell und versuchte mit einem misslungenen Krisenmanagement, die Vorwürfe zu relativieren. Wir waren nicht sorgfältig genug bei der Auswahl der Familie. Es gab Fehleinschätzungen, die so nicht passieren dürfen, hieß es. Der Sender stellte klar, keine Sekunde dieser Folgezu zeigen, und entschuldigte sich bei der Familie. Insgesamt hielt man jedoch zu diesem Zeitpunkt an dem fragwürdigen Format noch fest. Zudem kritisierte Sat.1 in dem Statement Matthias Distel dafür, private Dinge an die Öffentlichkeit gebracht zu haben, die privat bleiben sollten. Damit fing sich Sat.1 den nächsten Shitstorm der User ein. Mutiger Schritt von Matthias Distel führt zum ErfolgEs ist ein großer Erfolg für Matthias Distel, der mit seinem mutigen Schritt an die Öffentlichkeit ein großes Risiko einging und jegliche finanziellen und beruflichen Konsequenzen in Kauf nahm. Er tat kund, dass die ihm für den Dreh zugestandene Gage von 47.500 Euro für einen guten Zweck gespendet werden soll. Die Familie selbst wurde laut Recherchen der SZ hingegen mit nur 1.500 Euro abgespeist - zuzüglich der 2.400 Euro, die vor der Kamera ausgegeben werden sollten. Distels Schritt hat sich ausgezahlt: Eigentlich sollte die neue Staffel von "Plötzlich arm, plötzlich reich" im Sommer ausgestrahlt werden, doch nun landen sämtliche bereits produzierten Folgen im Giftschrank. Damit ist es seiner Ansicht nach jedoch nicht getan. In einem am Freitag veröffentlichten Video-Statement stellt er klar, dass es ihm nicht darum gehe, eine Hetzjagd auf einen bestimmten Sender oder eine Produktionsfirma zu machen. Er forderte seine Follower zudem auf, die Chefin der Firma in Ruhe zu lassen. Es seien alle mit dem Nerven am Ende. Vielmehr gehe es um ein grundsätzliches Problem in der Branche. Überwiegend würden anständige Menschen dort arbeiten, doch die wenigen schwarzen Schafemüssten endlich aussortiert werden. Er wünscht sich eine sender- und produktionsübergreifende Diskussion über Moral und Anstand, denn Kindeswohl sei unverhandelbar. Mir geht es nicht um die negativen beruflichen Folgen für mich, sondern um das Wohl der Kinder, um eine breite öffentliche Diskussion über das Thema, unabhängig von Konkurrenzdenken und Einschaltquoten, betont Distel. Die Debatte um das Wohl der Kinder muss dauerhaft und von allen geführt werden.Denn obwohl sich einige ihm nahestende Prominente zu Wort gemeldet haben und ihre Unterstützung zum Ausdruck brachten, fällt schon auf, dass sich andere Promis - darunter einige, die sich an anderer Stelle gerne mal öffentlichkeitswirksam als Kämpfer gegen Ungerechtigkeiten inszenieren - zurückgehalten haben, vermutlich aus Angst davor, selbst Konsequenzen vom Sender zu erfahren, mit dem sie selbst zusammenarbeiten. Interessant ist an dem nun veröffentlichten Statement des "Promis unter Palmen"-Senders nicht nur die Aussage Wir stehen für Unterhaltung mit Herz, sondern auch der Satz Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass diese Sendung nicht mehr zu dem SAT.1 passt, das wir gemeinsam mit und für unsere Zuschauer:innen weiterentwickeln wollen.Könnte dies ein erster Hinweis auf ein sich wandelndes Selbstverständnis sein? Der Bällchensender geriet bereits vor dem aktuellen Eklat in den vergangenen Monaten mehrfach aufgrund fragwürdiger Sendungsinhalte in die Kritik, während sich etwa RTL und ProSieben längst auf die Fahne geschrieben haben, seriöser und famlienfreundlicher zu werden. Jüngst übernahm ProSieben-Chef Daniel Rosemann das Ruder als neuer Sat.1-Chef - er hat noch viel zu tun (TV Wunschliste berichtete). Gegenüber DWDL teilte Imago TV am Samstag mit: Imago TV steht hinter der Entscheidung von Sat.1, nach der kontroversen öffentlichen Debatte der vergangenen Tage das Format 'Plötzlich arm, plötzlich reich' einzustellen.Die Produktionsfirma lässt es sich jedoch nicht nehmen, noch mal einen Seitenhieb in Richtung Distel zu verteilen: Wir bedauern vor allem, dass eine an den Dreharbeiten beteiligte Familie in die öffentliche Auseinandersetzung hineingezogen worden ist. Wir stehen weiter in Kontakt mit der Familie und wünschen vor allem den Kindern, dass sie von diesen Auseinandersetzungen möglichst wenig mitbekommen. Die gute Nachricht zum Schluss: Matthias Distel steht im ständigen Kontakt mit der Familie und hat ein Team zusammengestellt, das sie unter anderem mit Sachspenden unterstützen wird. Am Montag stehe eine Wohnungsrenovierung an, die von Distel und seinem Team finanziert werde. Auch Sat.1 hat angekündigt, die Familie "finanziell und menschlich" zu unterstützen. 29.05.2021 - Glenn Riedmeier/TV Wunschliste Bild: Sat.1/Instagram/Ikke Hüftgold [www.wunschliste.de]
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