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Homophobie bei "Promis unter Palmen" - Wie Sat.1 bewusst provoziert und den letzten Rest Würde verliert
geschrieben von: TV Wunschliste, 13.04.21 16:22
Kommentar von Glenn Riedmeier

Es war leider absehbar: Nachdem Sat.1 bereits im letzten Jahr für eine große Kontroverse aufgrund unverblümt zur Schau gestellten Mobbings in der Sendung "Promis unter Palmen" gesorgt hat, wiederholt sich das würdelose Schmierentheater nun erneut. Gestern Abend lief die fast dreistündige Auftaktfolge der zweiten Staffel - und die löste vor allem bei Twitter einen Shitstorm aus. Konnte man bei der ersten Staffel noch mutmaßen, dass Sat.1 von derlei negativen Reaktionen überrascht und überrollt wurde, muss man dem Sender nun klares Kalkül und Verantwortungslosigkeit unterstellen.

Geradezu naiv wirkt nach der gestrigen Sendung die hoffnungsvolle Annahme, dass Sat.1 eventuell aus den Fehlern des letzten Jahres gelernt haben könnte. Nein, selbst nachdem das nicht minder krawallige "Sommerhaus der Stars" bei RTL im vergangenen Herbst von den Zuschauern mit Verachtung und sinkenden Quoten abgestraft wurde, sah Sat.1 keinen Anlass dafür, einen Gang runterzuschalten. Stattdessen drehte der Sender die Niveau-Spirale noch einmal weiter nach unten und kündigte bereits im Vorfeld an, dass die neue Staffel noch härter, noch lauter, noch lustiger werde.

War es im vergangenen Jahr ein Mobbing-Skandal, geht es diesmal um die Ausstrahlung homophober und menschenfeindlicher Äußerungen. Zwölf Reality-erprobte Z-Promis zogen für die Produktion in eine prachtvolle Villa am Palmenstrand von Thailand. Und es dauerte nicht lange, bis sich Teilnehmer Marcus Prinz von Anhalt gegenüber Dragqueen Katy Bähm im angetrunkenen Zustand extrem homophob und menschenfeindlich äußerte. Als wäre das nicht genug, machte er sich auch noch über das Gewicht von Mitbewohnerin Patricia Blanco lustig und beleidigte sie auf sexistische Weise. Wir verzichten aus Rücksicht auf Zitate im Wortlaut. Sämtliche verbalen Ausfälle wurde minutenlang gezeigt - ohne jegliche Einordnung während der laufenden Sendung, weder vom Off-Sprecher noch in der Nachbearbeitung.
Patricia Blanco (l.) und Katy Bähm (r.) Sat.1


Wie im letzten Jahr hat Sat.1 die Szenen aus der vor Monaten voraufgezeichneten Sendung ungefiltert gezeigt. Es hätte genug Zeit bestanden, um zu der Entscheidung zu gelangen, die Szenen nicht auszustrahlen. Verantwortungsbewusste Redakteure hätten den Pöbel-Prinz nach seinen Äußerungen hochkant aus dem Format geworfen. Doch allem Anschein nach hat es Sat.1 ganz gezielt auf diese Überschreitung von Geschmacksgrenzen abgesehen, die bei den Zuschauern den Puls und die Aggression nach oben schnellen lässt. Hier ist nun aber selbst für hartgesottene Trash-Fans wie anredo endgültig Schluss mit lustig:





Es ist kein Geheimnis, dass Anhänger sogenannter Trash-TV-Formate möglichst viel Stress, Konflikte und Konfrontationen sehen wollen, um ihre niedersten Instinkte zu befriedigen. Auch Schadenfreude und Häme spielen eine große Rolle. Doch der Spaß hört auf, wenn ein Sender gezielt damit Quote machen will, indem er kontroverse und problematische Kandidaten engagiert, die nicht mit krawalligem und prolligem Verhalten sparen. Es gibt die Argumentation, dass Reality-TV im Kern die Realität - mit all ihren schönen und unschönen Seiten - abbilden soll. Doch extreme Beleidigungen, asoziales Verhalten und komplettes Fehlen von Empathie überspannen schlichtweg den Bogen des Erträglichen.

Immer mehr Zuschauer erkennen mittlerweile, dass die eigentlichen Übeltäter nicht die Teilnehmer vor der Kamera, sondern die Verantwortlichen hinter der Kamera sind. Die Strategie des Senders ist durchschaubar und gleichermaßen anwidernd: Größtmögliche Provokation inklusive Twitter-Shitstorm. Scheiß auf Moral, Hauptsache die Quote stimmt. The same procedure as last year. Die Verantwortlichen wussten genau, was sie senden und welche Reaktionen zu erwarten waren, schließlich wurde die Sendung schon vor Monaten produziert. Sat.1 wollte alles genau so senden und hat sich beim Sichten des explosiven Materials vermutlich diebisch die Hände gerieben und feixend auf den Moment der Ausstrahlung hingefiebert. Da hilft es dann auch nicht viel, bei Twitter ein halbgares Statement zu veröffentlichen, dass man sich von den Aussagen von Marcus Prinz von Anhalt distanziert.


Als weitere Rechtfertigung twitterte Sat.1 ein Zitat von Katy Bähm, um zu begründen, weshalb die Szenen ausgestrahlt wurden:


Darüber hinaus habe man das lange diskutiert, aber es ist auch ein wichtiges Thema, das nicht verschwiegen werden darf. Ähnlich argumentierte auch Jochen Bendel in der anschließenden Late-Night-Show: Wenn man so was rausschneidet, ist das gleichbedeutend mit Wegschauen. Der blanke Hohn: So zu tun, als leiste man sogar einen Beitrag zur geselleschaftlichen Debatte, indem man zeigt, dass es auch im Jahr 2021 noch derart intolerante Menschen gibt, ist an Heuchelei nicht zu überbieten.

Es sind alles fadenscheinige Begründungen, die über den eigentlichen Skandal hinwegtäuschen sollen - nämlich, dass Personen wie Prinz Marcus, der wegen gefährlicher Körperverletzung, versuchter Erpressung, Zuhälterei und Menschenhandel mehrfach vorbestraft ist, überhaupt noch eine Bühne im Fernsehen erhält, bei der er im ungünstigsten Fall sogar die Siegprämie von 100.000 Euro(!) hätte gewinnen können.


Quasi als moralische Endnote musste Prinz Marcus am Ende der ersten Folge die Sendung verlassen, nachdem er von den anderen Teilnehmern rausgewählt wurde. Zumindest in dieser Hinsicht hatte Sat.1 mehr "Glück" als im Vorjahr. Zur Erinnerung: In Staffel 1 gab es eine ähnliche Aufgregung um Mobbinganführer Bastian Yotta, der zu allem Überfluss auch noch als Sieger des Formats hervorging. Dummerweise tauchten während der Sendung Videos von Yotta im Internet, auf, in dem der selbsternannte Fitness- und Lifestyle-Coach gewaltverherrlichende und sexistische Äußerungen über Frauen tätigte. Sat.1 distanzierte sich daraufhin von den Aussagen und schloss Bastian Yotta von weiteren Produktionen aus - dies hinderte den Sender aber nicht daran, Yotta trotzdem noch die Siegprämie zu überreichen. Trotz eines geballten Negativechos der Zuschauer hielt es Sat.1 nicht für nötig, ihm den Sieg abzuerkennen. Und anstatt Mobbingmittäter wie Matthias Mangiapane und Carina Spack endgültig aus dem Fernsehen zu verbannen, wurden sie von Sat.1 zur Belohnung für ihr Asi-Verhalten direkt für das "Promiboxen" und weitere Trash-Formate engagiert.
Die Besetzung der zweiten Staffel von "Promis unter Palmen" Sat.1


All das offenbart schlichtweg die praktizierte Bigotterie des dahinsiechenden Senders Sat.1, der abgesehen von "The Voice of Germany" mit Rückenwind von ProSieben und der 1000. "Harry Potter"-Wiederholung quotentechnisch nichts mehr reißt und bei durchschnittlich sieben Prozent Marktanteil in der jungen Zielgruppe herumkrebst. Als letzter Strohhalm bleibt dann eben nur noch, mit skandalträchtigen Formaten für Furore zu sorgen. Auch negative PR bleibt am Ende eben PR - selbst dieser Artikel gibt der Sendung mehr Aufmerksamkeit als sie verdient. Während Konkurrent RTL einen klaren Weg hin zu mehr Seriosität und Relevanz verkündet hat, scheint Sat.1 in die entgegengesetzte Richtung zu gehen. Nach dem Motto "Ist der Ruf erst ruiniert..." hat man aus lauter Quotengeilheit scheinbar jegliche moralischen Grundsätze über Bord geworfen. Aus dem einstigen Kuschelsender, bei dem Harald Schmidt und das "Glücksrad" zu Hause waren, ist längst ein Krawallsender geworden. Oder wie es Hugo Egon Balder schon vor einigen Jahren treffend formulierte: Sat.1 ist kein Sender mehr, sondern ein Zustand.

UPDATE: Sat.1 hat am Dienstagabend über Twitter ein bemerkenswertes Statement getätigt: Prinz Marcus von Anhalt hat sich bei #PromisunterPalmen inakzeptabel homophob geäußert. Wir haben versucht, diese Aussagen im Umfeld und im Anschluss der Sendung einzuordnen. Aber wir müssen feststellen: Diese Einordnung war so nicht ausreichend. Deswegen haben wir uns entschieden, die Folge online von allen Plattformen zu entfernen. Prinz Marcus von Anhalt wird in Zukunft in keiner Show von SAT.1 mehr stattfinden. Schon jetzt ist die entsprechende Folge weder auf sat1.de noch bei Joyn noch abrufbar.





13.04.2021 - Glenn Riedmeier/TV Wunschliste
Bild: Sat.1


[www.wunschliste.de]

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