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Gottschalk-Produzent Holm Dressler: "Jeder andere Moderator wäre in Grund und Boden versunken"
geschrieben von: TV Wunschliste, 03.04.21 11:43
Der Name Holm Dressler mag so manchem Zuschauer nichts sagen, doch in der Fernsehbranche ist der Produzent, Redakteur und Regisseur eine Legende. Er war maßgeblich an der Karriere von Thomas Gottschalk beteiligt und auf dessem Weg zum Samstagabend-Showmaster die starke Kraft im Hintergrund. Holm Dressler gab nun ein ausführliches Interview für den Podcast "Die Fernsehschatztruhe" von Frank Battermann und Alex Schindler, in dem er äußerst unterhaltsam fast 90 Minuten lang aus dem Nähkästchen plauderte.

Gemeinsam hoben Dressler und Gottschalk 1977 "Telespiele" aus der Taufe, die erste interaktive Gameshow des deutschen Fernsehens. Dressler, der zu dieser Zeit verantwortlicher Redakteur des ARD-Senders SWF war, sagt, dass die Sendung vor allem dank Gottschalks schon damals vorhandenem Talent zur Spontaneität funktioniert hat. Ich glaube, da wäre jeder andere eingebrochen. Der Thomas musste sich da aber nicht verstellen, das war seinem Naturell entsprechend. Das gilt heute noch, dass er sagt: 'Stellt mich in Situationen, die ich vorher nicht geprobt habe. Ich mache da schon was draus.' Als Gottschalk in späteren Phasen seiner Karriere mal Autoren an die Seite gestellt bekam, habe das überhaupt nicht funktioniert. Es gab fleißige Redakteure, die ganze Drehbücher für ihn geschrieben haben. Aber das ging nicht - und das geht auch heute nicht.

Dressler erinnert sich an ein Arbeiten ohne jeden Quotendruck. Die Quote war überhaupt kein Thema. Wir wussten nicht, welche Quote wir hatten. Da war die Quotenmessung nicht am nächsten Morgen da, sondern erst mit 14 Tagen Verzug. Die Korrektive waren stattdessen Unterhaltungschefs, Programmdirektoren, Intendanten sowie die Presse. Heute ist das anders. Wenn du heute bei einer Show einen Unterhaltungschef fragst, sagt er dir: 'Warte bis ich morgen die Quoten habe, dann sage ich dir, wie ich es fand'. Da gibt es keine spontane Meinung mehr. Das ist ganz schlimm für Kreative.

Ein großes Problem heutzutage sei, dass einer Sendung keine Zeit mehr zum Entwickeln gegeben werde, während man etwa an "Wetten, dass..?" jahrelang in der Öffentlichkeit basteln konnte. Heute müsse alles sofort funktionieren und auf Anhieb erfolgreich sein. Das führt leider dazu, dass eine große Angst die Entscheidungsträger vor neuen Formaten lähmt, die noch nicht irgendwo im Ausland gelaufen sind. Aus einem ähnlichem Grund greife man bei Moderatoren immer mehr zu Leuten, die nicht anecken. Zu Menschen, die eben leider nicht wie Thomas Gottschalk, Hella von Sinnen und Harald Schmidt eine bestimmte Persönlichkeit mit allen Ecken und Kanten haben. Man möchte sie ihnen abschleifen, wie den Menschen in der Werbung.

1981 wechselten Gottschalk und Dressler gemeinsam zum ZDF. Dort produzierten sie zunächst die Sendung "Na sowas!". Die bunte Varietyshow am Samstagvorabend war voll und ganz auf Gottschalk zugeschnitten. Das war eben nicht ein Format aus Amerika oder sonst woher, sondern maßgeschneidert angefertigt und erfunden. Thomas war selbst natürlich auch an dem Prozess beteiligt. Die Mischung bestand aus Auftritten aktueller Popkünstler, einem Talk mit einem prominenten Gast und Normalbürgern, die etwas Kurioses vorführen wollten. Beispielsweise bewarb sich eine Frau, die behauptete, ihr Hund könne "Mama" sagen. Niemand glaubte daran, aber man wollte sie in der Show haben. Auch hierbei wurde ganz gezielt auf Gottschalks Improvisationstalent gesetzt. Als der Hund keinen Laut von sich gab, sagte Gottschalk zu der Frau: Machen Sie sich keine Sorgen. Der Hund kann auch gerne etwas anderes sagen! Laut Dressler seien es genau solche Momente, die Gottschalk zu Höchstleistungen antreiben. Jeder andere Moderator wäre in Grund und Boden versunken.

1990 gingen Gottschalk und Dressler zu RTL, wo sie zunächst die wöchentliche Show "Gottschalk" und später den Nachfolger "Gottschalk Late Night", die erste tägliche Late-Night-Show im deutschen Fernsehen, produzierten. Gerade das Tägliche habe Dressler zunächst abgeschreckt. Auf die Nachfrage, weshalb sie das Angebot von RTL schließlich doch annahmen und damit 1992 komplett und exklusiv zum Privatsender wechselten, sagt er unverblümt: Helmut Thoma hat uns mit Geld überzeugt. Wir haben ein Begrüßungsgeld bekommen: Thomas bekam drei Millionen und ich eine halbe Million - ohne irgendwas zu machen, außer Ja zu sagen!

Zunächst lief mit der täglichen "Gottschalk Late Night" auch alles nach Plan. Es gab von Senderseite lediglich die Vorgabe, mit jeder Ausgabe eine Million Zuschauer zu erreichen. Dieses Ziel wurde sogar deutlich übertroffen. Wir hatten 1,6 bis 1,7 Millionen Zuschauer, so Dressler. Doch im zweiten Jahr wurde die Zielvorgabe plötzlich auf zwei Millionen erhöht - und dann begannen die Diskussionen. Laut Dressler sagten RTL-Senderchef Helmut Thoma und Programmdirektor Marc Conrad zu ihnen: Wir wissen, wie ihr das erreicht. Vergesst euren Unterhaltungskram. Wir haben am Nachmittag eine sehr erfolgreiche Sendung mit Hans Meiser, der kritische und hart recherchierte Themen behandelt. Das wollen wir jetzt auch mit Gottschalk in der Late Night.

Es sollte dann plötzlich um Themen wie den Kosovokrieg und Vergewaltigung in der Ehe gehen, worauf Holm Dressler allerdings überhaupt keine Lust hatte. Er sprach Thomas Gottschalk nicht die Fähigkeit ab, solche Themen zu behandeln, aber empfand es als die falsche Richtung. Gottschalk war hin- und hergerissen, er fühlte sich aber letztendlich auch geschmeichelt, dass RTL ihm so etwas zutraute. Plötzlich fingen auch Thomas und ich zu diskutieren an - wo zuvor zwischen uns kein Blatt Papier passte. Schließlich zerbrach die Zusammenarbeit vorläufig an dieser Meinungsverschiedenheit. Dressler stieg aus und das Redaktionsteam von "Hans Meiser" wurde für "Gottschalk Late Night" engagiert - woraufhin die Reichweite auf 700.000 Zuschauer abstürzte. Nach einer Zeit, in der Dressler und Gottschalk getrennte Wege gingen, haben sie sich wieder vertragen und später gemeinsam die Eventshows "50 Jahre Rock!" im ZDF bestritten.

Im ausführlichen Audio-Interview mit Frank Battermann spricht Holm Dressler unter anderem auch noch über die Anfänge von "Wetten, dass..?" mit Frank Elstner, Klaus Kinskis legendären Auftritt bei "Na sowas!", die Show "Wenn die Putzfrau 2x klingelt" mit Hella von Sinnen und Dieter Hallervordens Forderungen, die er für seine Übernahme von "Verstehen Sie Spaß?" gestellt hat. Das komplette Gespräch aus dem Podcast "Die Fernehschatztruhe", der jüngst für den Deutschen Podcast Preis nominiert wurde, ist bei Spotify und allen anderen gängigen Plattformen kostenlos zu hören.

03.04.2021 - Glenn Riedmeier/TV Wunschliste
Bild: IMAGO / HRSchulz


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TV Wunschliste 03.04.21 11:43 868 
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Zoppo_Trump 10.04.21 02:41 223 


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