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Signalwirkung im "Sechserpack"-Gerichtsstreit: Sat.1 zur Offenlegung der Werbeeinnahmen verurteilt
Am vergangenen Donnerstag berichteten wir über den Gerichtsstreit zwischen Schauspielerin Nina Vorbrodt und Sat.1 (TV Wunschliste berichtete). Weil der Fernsehsender die Sketchcomedy "Sechserpack" seit Jahren in hoher Schlagzahl wiederholt und damit weiterhin Einnahmen generiert, an der sie und die anderen Mitwirkenden nicht beteiligt werden, reichte sie Klage ein. In der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung spricht Vorbrodt über die Details und rückt teilweise falsch verbreitete Informationen gerade.
Ihr "Sechserpack"-Kollege Mirco Reseg verklagte Sat.1 bereits 2017 und verlangte eine angemessene Nachvergütung. Als ich davon erfuhr, begann ich, auf Plattformen wie fernsehserien.de zu recherchieren, und entschied mich aufgrund verblüffender Entdeckungen ebenfalls Klage einzureichen, erläutert Nina Vorbrodt in der F.A.S.. So habe sie herausgefunden, dass bis zum 28. Dezember 2019 sämtliche Folgen aller sieben produzierten Staffeln des Formats mehrfach wiederholt wurden - insgesamt kam sie auf 8294 Ausstrahlungen, wobei alleine 5332 Wiederholungen auf Sat 1 und die zugehörigen Spartensender Sat.1 Comedy und Sat.1 Emotions entfallen. Weitere 2962 Mal wurde die Serie im Pay-TV bei Sky gezeigt. Jede der insgesamt 91 Folgen wurde im Schnitt 90,1 Mal wiederholt. An dieser jahrelangen Verwertung im Free- und Pay-TV und den damit generierten Einnahmen weit nach Ende der Produktion im Jahr 2010 werden die Schauspieler nicht beteiligt. Dies liegt daran, dass damals ein sogenannter "Total Buyout"-Vertrag abgeschlossen wurde, der in der Branche nicht unüblich ist. Damit werden werden sämtliche Nutzungsrechte an den schauspielerischen Leistungen auf die jeweilige Produktionsfirma übertragen, in diesem Fall auf die Sony Pictures Film und Fernseh Produktions GmbH. Nach eigener Aussage hat Nina Vorbrodt eine Gesamtsumme von 621.850 Euro brutto für die Produktion bekommen. Obwohl dies nach einer guten Summe klinge, stehe sie in eklatantem Missverhältnis zu dem, was der Sender mit der Comedyserie verdient habe. Vorbrodts Anwältin Anne Ohlen teilte der F.A.S. mit: Es kann nicht sein, dass ein Sender über einen Zeitraum von 17 Jahren immer wieder Einnahmen generiert und eine Schauspielerin nicht daran partizipiert. Da die Auswertung vorrangig bei Sat.1 erfolgte, klagte Nina Vorbrodt gegen den Sender - nicht um Nachvergütung, sondern um Offenlegung der Einnahmen und Vorteile, die Sat.1 im Umfeld der Sendung "Sechserpack" erwirtschaftet hat. Der Sender bot ihr nicht - wie fälschlicherweise berichtet - einen "Vergleich" an, sondern eine Zahlung von 22.500 Euro, um das Verfahren ruhen zu lassen und mit dem BFFS (Bundesverband Schauspiel e.V.) über GVR (Gemeinsame Vergütungsregeln) zu verhandeln. Dies lehnte Vorbrodt allerdings ab, die mit ihrem Schritt vor Gericht ein hohes Risiko eingegangen ist. Denn wenn ein Schauspieler gegen einen Sender vor Gericht zieht, besteht die Gefahr des "Blacklistings" - also dass er nicht mehr für Produktionen gebucht wird, da ihm unterschwellig unterstellt wird, er wolle die Firmen abzocken. Deshalb wagen diesen Schritt überwiegend Schauspieler im Ruhestand. Ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und der ist größer als die Angst, auf die Blacklist zu kommen, so Vorbrodt in der F.A.S.. Ihr ginge es in erster Linie um eine faire Bezahlung und angemessene Erfolgsbeteiligung. Sie beruft sich dabei auf den "Fairnessparagraphen" des Urheberrechtsgesetzes aus dem Jahr 2002, durch den einem Urheber eine Nachzahlung zusteht, wenn die Vergütung, die er mit der Produktionsgesellschaft vereinbart hat, in einem auffälligen Missverhältnis zu den Vorteilen steht(§32a UrhG), die mit der Ausstrahlung erwirtschaftet worden sind. Inzwischen wurden zwischen bestimmten Berufsverbänden und Fernsehsendern bestimmte Vergütungsregeln vereinbart - auch für Schauspielleistungen. Allerdings gibt es eine solche Vergütungsregel für den Bereich Comedy nicht - worunter "Sechserpack" fällt. Am Freitag vor einer Woche erlangte Nina Vorbrodt einen ersten, wichtigen Erfolg vor Gericht. Sat.1 wurde verpflichtet, Auskunft über die erzielten Einnahmen im Zusammenhang mit der Ausstrahlung von "Sechserpack" zu geben - einschließlich der Werbeeinnahmen. Speziell Letzteres ist zum ersten Mal überhaupt geschehen und besitzt deshalb eine gewisse Signalwirkung für andere Schauspieler und Urheber, die einen Anspruch auf Nachvergütung stellen wollen. Anhand der Auskunft über die Einnahmen könne in einem zweiten Schritt ermittelt werden, wie sich Vorbrodts Vergütungsanspruch bemisst. Wie viel das am Ende sein wird, das lässt sich derzeit nur schätzen. Sat 1 könnte laut Vorbrodt im Umfeld der Ausstrahlung von "Sechserpack" zwischen 2003 bis 2019 Werbeeinnahmen in einem dreistelligen Millionenbereich eingenommen haben. Es erscheint sehr wahrscheinlich, dass Sat.1 gegen das Urteil des Landgerichts München I Berufung einlegen wird. Für Vorbrodt handelt es sich jedenfalls um einen Etappensieg und sie sei fest entschlossen, den Weg vor Gericht weiterzugehen, selbst wenn dieser noch viele Jahre in Anspruch nehmen sollte. 07.02.2021 - Glenn Riedmeier/TV Wunschliste Bild: Sat.1/Guido Engels [www.wunschliste.de] In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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