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ARD-Programmdirektor findet keine Frauen für Unterhaltung - und erntet dafür Shitstorm
geschrieben von: TV Wunschliste, 10.06.20 12:54
Am Wochenende erschien in der BILD am Sonntag ein Interview mit ARD-Programmdirektor Volker Herres. Unter anderem ging es um die Frage, wie die ARD im Unterhaltungsbereich aufgestellt ist. In diesem Zusammenhang wurde ein Mangel an weiblichen Moderatorinnen thematisiert. Mit seiner Erklärung sorgte Herres mit ein paar Tagen Verspätung für Empörung bei Twitter.

Ich glaube, wir sind im Showbereich mit Kai Pflaume, Jörg Pilawa, Guido Cantz, Eckart von Hirschhausen und Florian Silbereisen bestens und auch vielfältig besetzt, so Herres gegenüber der BamS. Auf die Nachfrage Merken Sie was? entgegnete Herres: Ja, das sind alles Männer. Das wäre mein nächster Satz gewesen! Ich würde in der Unterhaltung, jenseits von Comedy, gern mehr Frauen sehen. Im Showbereich arbeiten wir auch regelmäßig mit der hinreißenden Barbara Schöneberger zusammen. Aber gleichwohl: Wir haben da ein Defizit.

Weshalb es nicht mehr Frauen in der Unterhaltung gibt? Wenn man mal die großen legendären Entertainer durchgeht, dann kommt man auf Kulenkampff, Frankenfeld, Carrell, Gottschalk. In der Showunterhaltung trifft man nicht viele Frauen an. Herres ist der Ansicht, dass dies nicht das Ergebnis vorsätzlicher Diskriminierung sei. Er würde diesen Zustand gerne ändern. Wüssten Sie jemanden? Mir fällt aktuell kein weibliches Pendant etwa zu einem Kai Pflaume ein, der die große Samstagabend-Show moderiert und mit seiner Empathie und Zugewandtheit so große Mehrheiten für sich begeistert. Falls er jemanden übersehen habe, dürfe man sich gerne bei ihm melden.


Diese Äußerungen führten am gestrigen Dienstag zu einem Shitstorm bei Twitter. Die Journalistin Eva Schulz, die für die ARD das Webvideo-Format "Deutschland3000" moderiert, zeigte sich entsetzt über diese Aussagen. Unter den Kolleginnen gibt es so viel 'empathische und zugewandte' Frauen. Wie kann es sein, dass Sie uns nicht wahrnehmen?. Und schlimmer noch: Wie kann es sein, dass Sie nicht begreifen, dass es Ihre Aufgabe wäre, diesen Moderatorinnen die 'großen Mehrheiten' überhaupt zu ermöglichen, indem sie ihnen die Sendeplätze und Budgets verschaffen? Daraufhin nannte sie zahlreiche Frauen, darunter Carolin Kebekus, Sarah Kuttner, Laura Karasek, Katrin Bauerfeind, Palina Rojinski, Sabine Heinrich, Hazel Brugger, Anke Engelke, Bettina Böttinger, Larissa Rieß, Ina Müller, Linda Zervakis, Evelyn Weigert, Janin Ullmann, Jeannine Michaelsen, Dunja Hayali oder Sophie Passmann.

Anschließend meldeten sich einige der angesprochenen Frauen zu Wort. So schrieb ProSieben-Moderatorin Jeannine Michaelsen: Falls Sie, Volker Herres, sich immer schon mal gefragt haben, wie Mann es wohl schafft, den (vielen!) Frauen in der deutschen Fernsehunterhaltung eine kollektive Ohrfeige zu verpassen. Ja. Genau so.
"Tagesschau"-Sprecherin Linda Zervakis äußerte sich in einem Instagram-Video: Liebe Eva, ich feier dich ab für den Tweet des Tages. Stichwort Frauen in der ARD-Unterhaltung. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. ZDF-Moderatorin Dunja Hayali reagierte ebenfalls auf den Tweet von Eva Schulz: Offensichtlich können (in den Augen mancher) Frauen 'nur' Talk, Männer alles, inklusive Quiz(MASTER) und Unterhaltung... Tatsächlich findet man Moderatorinnen viel häufiger im journalistischen Bereich und Talkfach an, wenn man etwa an Anne Will, Sandra Maischberger und Maybrit Illner denkt.


Volker Herres selbst hat sich zur Kritik noch nicht geäußert, allerdings teilte ein Sprecher der ARD-Programmdirektion dem Nachrichtenportal Watson mit: Herr Herres nimmt die genannten Frauen nicht nur wahr, sondern schätzt auch ausnahmslos ihre Arbeit. Selbstverständlich hält Herr Herres Frauen für geeignet, Unterhaltungsshows zu präsentieren. Ausdrücklich wünsche er sich eine Moderatorin am Samstagabend. Voraussetzung ist, dass Sendeplatz, Format und Moderation perfekt zusammenpassen.

Fairerweise muss gesagt werden, dass der Mangel an Unterhaltungs-Moderatorinnen kein ARD-exklusives Problem ist. Im ZDF beschränkt sich die Auswahl auf "Fernsehgarten"-Moderatorin Andrea Kiewel, einmal im Jahr Helene Fischer sowie Carmen Nebel, deren Show Ende des Jahres eingestellt wird. Auf ProSieben sind abgesehen von Heidi Klum und "The Voice of Germany"-Ko-Moderatorin Lena Gercke nur ein paar Mal pro Jahr Jeannine Michaelsen und Janin Ullmann in der Primetime zu sehen. Bei RTL hält sich die Liste mit Sonja Zietlow, Laura Wontorra und Victoria Swarovski ebenfalls in Grenzen - zudem sind sie meist an der Seite von männlichen Kollegen zu sehen.

Dieses Problem kennt auch Eva Schulz: Ein TV-Produzent meinte mal, wenn ich eine eigene Show wolle, solle ich mir einen männl. Kollegen dazu suchen. Das könne er besser verkaufen. 'Frauen wollen halt auch keine Frauen sehen.' Tatsächlich sind Moderatorinnen viel härter der Kritik im Internet ausgesetzt als ihre männlichen Kollegen. Frauen und Männer ziehen im Internet regelmäßig über TV-Moderatorinnen her und beziehen sich dabei zumeist weniger auf deren Leistung als auf deren Äußeres. Dies geht bis hin zu sexistischen Beleidigungen, wie jüngst eindrucksvoll in der Sondersendung "Männerwelten" veranschaulicht wurde (TV Wunschliste berichtete).

Bereits 2017 sprach Jeannine Michaelsen das Problem im Interview mit TV Wunschliste an: Man muss einfach nur schauen, was bei Twitter oder Facebook zu lesen ist, während eine von einer Frau moderierte Sendung läuft. Vereinzelt findet man zwar konstruktive Kommentare, die sich mit dem Inhalt beschäftigen, aber meistens beschränken sie sich darauf, wie unmöglich man aussieht und welche hässlichen Klamotten man trägt. Ich habe sowas über einen Mann noch nicht gelesen. Zu einem großen Teil kommt sowas dann leider auch von Frauen. Eine Erklärung dafür hat sie auch: Ich glaube, das stammt noch zu Teilen aus der Zeit, in der wir Frauen für lange Zeit die Buchstabenumdreherinnen im hübschen Kleidchen waren, an der Seite von Männern, die dann erklärt haben, wie der Hase läuft. Aber ich bin Optimist und der festen Überzeugung, dass sich auf lange Sicht Qualität immer durchsetzt und bin vermessen genug, mir und uns welche zu unterstellen.

10.06.2020 - Glenn Riedmeier/TV Wunschliste
Bild: ARD / Thorsten Jander


[www.wunschliste.de]

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  ARD-Programmdirektor findet keine Frauen für Unterhaltung - und erntet dafür Shitstorm
TV Wunschliste 10.06.20 12:54 243 


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