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Mobbing bei "Promis unter Palmen": Vom Trash-TV-Traum zur unerträglichen Zumutung
geschrieben von: TV Wunschliste, 23.04.20 22:24
Es hätte alles so schön sein können. Der von chronisch schwachen Einschaltquoten geplagte Sender Sat.1 hat nach einer Ewigkeit wieder einen echten Hit im Programm. Auf den harmlos wirkenden Namen "Promis unter Palmen" hört das Format, das seit fünf Wochen am Mittwochabend von mehr als drei Millionen Menschen verfolgt wird. Vier Wochen lang hat auch alles wunderbar funktioniert. Twitter-Deutschland feierte die Sendung als Trash-Höhepunkt des Jahres, die Kritiken fielen positiv aus - doch gestern wendete sich das Blatt und Sat.1 erlebte einen Shitstorm mit höchster Windstärke.

Für "Promis unter Palmen" wurden gezielt kontroverse und problematische Kandidaten wie Bastian Yotta, Matthias Mangiapane, Carina Spack, Ronald Schill, Claudia Obert und Désirée Nick engagiert, die nicht mit krawalligem und prolligem Verhalten sparten. Dies haben die Protagonisten in der Vergangenheit bereits in anderen Formaten unter Beweis gestellt. Eine klar kalkulierte Zusammenstellung des Casts also, der letztendlich nicht originell war. Doch der Sender feierte seinen "Trash-Traum" und suhlte sich im Quotenerfolg. Das in den ersten Folgen gezeigte, lautstarke Gekeife zwischen Désirée Nick und Claudia Obert fanden viele Zuschauer auch noch lustig, doch mit der am Mittwoch ausgestrahlten Ausgabe wurden Geschmacksgrenzen derart überschritten, dass selbst dem hartgesottensten Trash-TV-Fan der Spaß vergangen ist.

Kandidatin Claudia Obert wurde von den übrigen Teilnehmern derart gemobbt, dass bei ihr die Tränen flossen - bis sie schließlich aufgab und die Flucht ergriff. Es fielen übelste Beleidigungen. Ex-"Bachelor"-Teilnehmerin Carina Spack bezeichnete Claudia Obert als "Hure" und "armselige Kreatur", die sie am liebsten "wegtreten" würde. Der aus "Hot oder Schrott: Die Allestester" bekannte Matthias Mangiapane war keinen Deut besser und sagte "Das ist keine Frau, das ist ein Viech" und "eine richtige Pottsau". Muskelprotz Bastian Yotta stimmte mit ein: "Wir müssen der versoffenen, unerzogenen Kabarettistin mal Manieren beibringen." Zudem sei Claudia Obert die "unerotischste Frau", die er jemals gesehen habe.
Carina Spack knistert mit der Chipstüte, um Claudia Obert vom Schlafen abzuhalten. Sat.1


Verstörend waren auch die Szenen, in denen Carina Spack Claudia Obert angiftete: "Weißt du, was wir alle haben, was du nicht hast? Jemanden, der sich auf uns freut, wenn wir zurückkommen." Doch es geht noch niveauloser: Yotta sagte, er habe sich gerade einen Pickel ausgedrückt und der Eiter habe ihn an eine bestimmte Person erinnert - während er an Obert vorbeiging. Gelächter bei den übrigen Bewohnern. Als sich Claudia im gemeinsamen Schlafzimmer hinlegte und schlafen wollte, setzten sich Janine Pink und Carina Spack aufs Nachbarbett und machten mutwillig Lärm. Einzig "Promi Big Brother"-Kandidat Tobi Wegener zeigte etwas Anstand. In einem Sprechzimmer-Statement sagte er: "Das geht schon echt unter die Gürtellinie, das macht man nicht" - doch vor versammelter Mannschaft traute er sich nicht, einzuschreiten. "Wo bin ich hier nur gelandet?", fragte sich Obert unter Tränen an ihrem Schlafplatz. Schließlich packte sie wortlos ihre Koffer und verließ ohne jeden Abschied das Haus und verzichtete dadurch auf die Chance von 100.000 Euro Gewinn.

All diese Szenen sorgten für große Empörung im Netz. Zahlreiche Zuschauer waren schockiert von der Sendung und der Tatsache, dass die Produktionsfirma EndemolShine nicht eingeschritten ist, bevor die Situation derart eskaliert ist. Zum Vergleich: Bei ähnlichen Vorfällen im britischen "Big Brother" (ebenfalls eine EndemolShine-Produktion) wurden Kandidaten sofort gemaßregelt und wenn nötig aus der Sendung geworfen. Sat.1 hat diese Art von Mobbing hingegen ungefiltert gezeigt und unterstützt, da innerhalb der Sendung keinerlei Einordnung stattfand. Die Twitter-User waren wütend und bescherten Sat.1 einen gewaltigen Shitstorm. Sie forderten eine Stellungnahme des Senders, da sie die Grenzen weit überschritten sahen.



Der sonst so mitteilungsfreudige Sender verstummte bei Twitter. Mit einem derartigen Gegenwind dürfte Sat.1 nicht gerechnet haben. Und so folgte ein Statement erst am nächsten Morgen - welches erneut die Gemüter erhitzte. "Bei der Reality-Show 'Promis unter Palmen' handelt es sich - wie der Name schon sagt - um eine Show mit Reality-erfahrenen Promis, die ihre Sendezeit daher meist sehr gezielt zu nutzen wissen und sich sehr bewusst sind, dass die Kamera permanent läuft. Wir schreiben den Promis nicht vor, wie sie sich als erwachsene Menschen zu verhalten haben. Wichtig ist: Kein Teilnehmer ist zu Schaden gekommen, die Sicherheit am Set war stets gewährleistet." Während der gesamten Produktion in Thailand seien Betreuer und Psychologen vor Ort gewesen, "die zu jeder Zeit von den Protagonisten kontaktiert werden konnten". Diese fadenscheinige Rechtfertigung stieß der Mehrheit übel auf.




Zu Beginn der Folge twitterte Sat.1 noch: "Sehr richtig, liebe Claudia, gut dass du's nochmal sagst. Das ist eine Unterhaltungsshow!" Und Unterhaltung darf offensichtlich alles und ist über jeden Zweifel erhaben? Der Sender dachte, mit der gestrigen Folge den absoluten Premium-Trash-Höhepunkt abzuliefern, den alle feiern würden - doch das Gegenteil trat ein. Sat.1 hat die Situation und die Reaktionen völlig falsch eingeschätzt. Der Sender hätte im Vorfeld überlegen können, wie man mit dem Vorfall umgehen sollte und Einordnung, Hilfe, Distanzierung anbieten können. All das geschah nicht. Das Format wurde im November 2019 abgedreht und lag fünf Monate in der Schublade. Genügend Zeit bestand also, um sich derlei Gedanken zu machen - doch die Verantwortlichen von Sat.1 wollten es genau so senden und haben sich beim Sichten des explosiven Materials vermutlich diebisch die Hände gerieben und feixend auf den Moment der Ausstrahlung dieses Meisterwerks hingefiebert.

Es ist interessant, dass Sat.1 in seinem Statement plötzlich von einer "Reality-Show" spricht und nicht mehr von Trash-TV. Der Zusatz, dass es sich um "Reality-erfahrene Promis" handle, "die ihre Sendezeit daher meist sehr gezielt zu nutzen wissen", führt den ursprünglichen Gedanken von Reality-TV ad absurdum. Natürlich wurde Désirée Nick engagiert, um als "keifende Diva" aufzutreten, Ronald Schill als "alternder Lustmolch", Claudia Obert als "dauerbeschwipste Unternehmerin" und Bastian Yotta als "sexistischer Moralapostel ohne Moral". Mit Reality hat all das so viel gemein wie Sat.1 mit einem guten Monatsmarktanteil.
Die übrigen Kandidaten feiern, dass sie Claudia Obert los sind. Sat.1


An dieser Stelle offenbart sich ein hausgemachtes Problem: Die Wandlung des ursprünglichen Reality-TV hin zum immer extremeren, sogenannten "Trash-TV". Dass sich echtes Reality-TV wie "Big Brother" inzwischen sehr schwer tut, weil dort überwiegend noch nahbare, empathische und sozial verträgliche Kandidaten mitwirken, spricht Bände. Viele Zuschauer erwarten inzwischen eine explosive Mischung aus extrovertierten, egomanischen Selbstdarstellern, die sich möglichst viel zoffen, anzicken und ankeifen sollen. Aggressionen und Beleidigungen werden in derlei Formaten bewusst provoziert und sind mittlerweile als normale Trash-TV-Unterhaltung akzeptiert. Es soll niveaulos und krawallig zugehen - und ganz gezielt greifen die Sender dabei auf kontroverse Kandidaten zurück, die "abliefern". Wo die Grenzen des Zumutbaren liegen, muss vermutlich jeder für sich selbst entscheiden - doch dass Sat.1 bei "Promis unter Palmen" diese Grenzen definitiv überschritten hat, darüber herrscht große Einigkeit. "Jeder gegen jeden" ist okay, "alle gegen Einen" nicht.

Doch es ist noch nicht ausgestanden: Erst kommende Woche wird das Finale ausgestrahlt. Es zeigt sich, wie ungünstig es ist, eine Reality(?)show mehrere Monate im Voraus zu produzieren. Es ist inzwischen durchgesickert, dass ausgerechnet Bastian Yotta als Sieger hervorgeht. Dummerweise ist vor einigen Tagen ein Video aus dem Jahr 2016 aufgetaucht, in dem der selbsternannte Fitness- und Lifestyle-Coach zu sehen ist, wie er gewaltverherrlichende und sexistische Äußerungen über Frauen tätigt. Sat.1 distanzierte sich von den Aussagen und schloss Bastian Yotta von weiteren Produktionen aus (TV Wunschliste berichtete). Doch kann man den in Ungnade gefallenen Teilnehmer, von dem inzwischen ein weiteres Video aufgetaucht ist, in dem er einen Dackel mit Füßen tritt, wirklich noch ohne Weiteres mit 100.000 Euro belohnen? Offensichtlich, denn: Nur die Quote zählt.

23.04.2020 - Glenn Riedmeier/TV Wunschliste
Bild: Sat.1


[www.wunschliste.de]

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