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"Mangelhaft": Konzept zum Jugendkanal steht im Netz
An diesem Donnerstag berät die Rundfunkkommission der Länder über den geplanten Jugendkanal von ARD und ZDF. Im vergangenen Herbst war ein erster Entwurf am Widerstand einiger Bundesländer gescheitert. Beide Sender wurden aufgefordert, die Antworten auf einige offene Fragen nachzureichen. Laut Medienberichten der vergangenen Tage soll jedoch auch das ergänzende Papier wenig dazu beigetragen haben, das als zu dünn und schwammig empfundene Konzept aufzuhübschen (wunschliste.de berichtete). Von den öffentlich-rechtlichen Überlegungen zu einem gemeinsam betriebenen Jugendkanal kann sich nun jeder Zuschauer selbst ein Bild machen. Die internen Papiere wurden über Newsroom.de vollständig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Ministerpräsidenten waren "regelrecht geschockt, als sie die dürftigen und konzeptionsschwachen Papiere für einen Jugendkanal zur Kenntnis nehmen mussten", meldet das Nachrichtenportal. So soll auch das zweite, nachgereichte Papier "von allen Beteiligten als 'mangelhaft' bewertet" worden sein. Das ursprüngliche Konzept wirkt tatsächlich so, als sei es binnen zwei Tagen mit Hilfe einer Ansammlung von Phrasen notdürftig zusammengestrickt worden. Was die Finanzen betrifft, werden jene Zahlen bestätigt, die bereits in den Medien kursieren: 45 Millionen Euro sollen pro Jahr investiert werden. Die Summe ergibt sich aus der geplanten Streichung der Kanäle EinsPlus, Einsfestival und ZDFkultur. Der Programmbereich soll sich am breiten Mainstream-Geschmack der Zielgruppe orientieren, den die Sender anhand bunt zusammengewürfelter Studienergebnisse zu kennen glauben. So werden beispielsweise konkret die fünf "Lieblingsthemen" der unter 30-Jährigen definiert: "Freundschaft/Liebe", "Musik", "Ausbildung/Beruf", "Internet" und "was in der Welt geschieht". Zielgruppen-Forscher Thomas Wind kritisiert auf Newsroom den Versuch der Sender, die so vielfältigen Ansichten und Interessen junger Menschen zu einer homogen Gesamtheit unter dem Etikett 'Digital Natives' zu bündeln. "Die Unter-30-Jährigen als Digitals Natives zu charakterisieren, ist mittlerweile trivial, handelt es sich doch um die erste Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist", so Wind, der im gleichen Atemzug auch das geplante Programm kritisiert: "Die wenig differenzierte Betrachtung der 14- bis 29-Jährigen schlägt sich notwendigerweise in den konkreten Programmideen nieder". Das "Modell-Schema" der Sender wirkt dann auch recht lapidar: Der Nachmittag beginnt um 16.00 Uhr mit einer interaktiven Liveshow rund um Lifestyle- und aktuelle Tagesthemen. Um 18.00 Uhr folgen unterhaltsame Dokus "auf Augenhöhe" der Zielgruppe, die "auf leichte, aber dennoch nicht oberflächliche Art die Lebenswelt der 14- bis 29-Jährigen" zeigen. Für 18.45 Uhr ist ein interaktives News-Format geplant - mit "Content wie Bewegtbild, Fotos und Social-Media-Beiträge". Weiter geht es um 18.55 Uhr mit "leichter Fiktion" und Zeichentrickserien. Denn, so heißt es im Konzeptpapier: "Die sogenannten 'Toons' sind in der Zielgruppe sehr beliebt." Für 19.45 Uhr sind Doku-Soaps wie "Die Backpacker" vorgesehen. Werktags um 20.15 Uhr sollen aus Kostengründen Programme "aus dem zielgruppenaffinen Bestand von ARD und ZDF" laufen. (Also vermutlich: Krimi-Wiederholungen wie auf ZDFneo.) Ab 21.45 Uhr folgt eine eingekaufte Serie, die "für Gesprächswert und Imagegewinn sorgen" soll. "Humor trifft Journalismus" ist um 22.15 Uhr das Motto einer interaktiven "Latenight-Info-Show" vor Publikum. Für den Samstagnachmittag ist eine KiKA-Programmstrecke geplant. Am Samstagabend sollen Festivals wie Rock am Ring und Wacken übertragen werden, aber auch Events wie die Fashion Week in Berlin oder die GamesCom. Sonntags um 20.15 Uhr laufen "junge Dokumentationen", beispielsweise die ZDF-Reihe "37 Grad". Populäre US-Serien und aktuelle Hollywood-Blockbuster werden für den Jugendkanal aus finanziellen Gründen nicht eingeplant. Fiktionale Eigenproduktionen sind auf längere Sicht "angedacht", ebenso die Ausstrahlung englischsprachiger Programme im Originalton. Comedy wird als "ein wichtiges Unterhaltungsgenre junger Leute" eingestuft. Weil kein Budget für US-Sitcoms vorhanden ist, setzt der Kanal auf Studio- und Bühnenprogramme und dient vorwiegend als "Nachwuchsbühne und Plattform für neue Talente". Den Ministerpräsidenten wurde das Konzept im vergangenen Oktober vorgelegt. Zweifel herrschen, ob die geplanten 45 Millionen Euro pro Jahr ausreichen, um den geplanten Sender wettbewerbsfähig zu machen. Zudem zeigten sich die Regierungschefs wenig beeindruckt von den zusammengewürfelten Marktanalysen, auf denen das Konzept basiert. So wurden die Sender aufgefordert, eine Art "Jugendbeirat" in das Konzept zu integrieren, "dessen Mitglieder sich aus Personen der Zielgruppe" rekrutieren. Sie sollen die inhaltliche Entwicklung mitgestalten. Diese Forderung wollen ARD und ZDF nun mit Hilfe ausufernder Umfragen erfüllen: "Regelmäßig sollen zunächst 500 junge Menschen elektronisch befragt werden, in der weiteren Entwicklung bis zu 1.000. Die Auswahl soll einen Querschnitt der angesprochenen Zielgruppe, etwa nach Alter, Geschlecht, familiären Hintergründen, Ausbildungsarten etc. widerspiegeln." "ARD und ZDF steuern voraussichtlich auf ihr bislang größtes konzeptionelles Desaster zu", mutmaßt Newsroom mit Blick auf die anstehenden Beratungen der Rundfunkkommission. Dass die Medienpolitiker das Konzept im zweiten Anlauf durchwinken, glaubt kaum jemand. Nach Informationen der Allgemeinen Zeitung aus Mainz soll der Jugendkanal nun vor dem Aus stehen, da die Ministerpräsidenten von Hessen, Sachsen und Bayern ihre ablehnende Haltung nicht geändert hätten. Denkbar ist allerdings auch, dass ARD und ZDF erneut nachsitzen müssen und die Zukunft des Jugendkanals somit weiter in den Sternen steht. 12.03.2014 - Michael Brandes/wunschliste.de Bild: ARD/ZDF [www.wunschliste.de]
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