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Trostlos: ZDFneo mutiert weiter zum Krimisender
Mit originellen und qualitativ ansprechenden Programmen waren die Digitalsender ZDFneo und ZDFkultur gestartet. Vom Anspruch, insbesondere den Zuschauern unter 50 Jahren eine Alternative zum ZDF-Hauptprogramm zu bieten, haben sich die Digitalsender in den vergangenen Monaten jedoch immer weiter entfernt. Während auf ZDFkultur mittlerweile Serien wie "Unser Charly" und "Tierarzt Dr. Engel" die ursprüngliche Retro-Schiene ersetzen, entwickelt sich ZDFneo immer mehr zu einer Abspielstation für jene Krimi-Eigenproduktionen, mit denen das ZDF bereits das Hauptprogramm vollstopft. Ab dem 4. März ist bei ZDFneo nun auch der Vorabend fest in der Hand eigenproduzierter Krimis, die sich zuvor bereits im ZDF bewährt haben: Werktags um 18.45 Uhr ermittelt künftig die "Küstenwache", im Anschluss um 19.30 Uhr die "SOKO Wismar". Zur Zeit sind beide Serien noch mittwochs im ZDF-Vorabendprogramm zu sehen. Momentan strahlt ZDFneo am Vorabend neben "Der letzte Zeuge" zumindest noch den US-Serienklassiker "Magnum" aus. Nachdem die US-Serien schon vor längerer Zeit aus der Primetime verschwunden sind, leistet sich ZDFneo mittlerweile vier deutsch-europäische Krimiabende pro Woche mit hinlänglich bekannten Serien. Sonntags um 20.15 Uhr ermittelt "Inspector Lynley", montags zur gleichen Zeit sein britischer Landsmann "Inspector Barnaby" (zusätzlich sonntags um 22.00 Uhr im ZDF). An den beiden folgenden Tagen serviert ZDFneo zur besten Sendezeit jene Eigenproduktionen, mit denen im ZDF-Hauptprogramm der Freitag- und Samstagabend bespielt werden: Dienstags sind "Der Kriminalist" und "Flemming" auf Sendung, mittwochs folgen Fernsehfilmreihen wie "Wilsberg" und "Ein starkes Team". Die zunehmend trostlose Programmgestaltung des Digitalsenders ist mutmaßlich eine Reaktion auf jenen Quotendruck, den sich das ZDF selbst auferlegt hat, obwohl er in keinen Zusammenhang mit dem öffentlich-rechtlichen Programmauftrag zu bringen ist. Dabei sind die fragwürdigen Korrekturen Richtung Mainstream nicht einmal von nennenswertem Erfolg gekrönt: 2012 lag der Marktanteil des im November 2009 gestarteten Senders bei gerade mal 0,6 Prozent. Das Durchschnittsalter des ZDFneo-Zuschauers liegt mit 51 Jahren außerhalb der anvisierten Zielgruppe. Auch sonst sieht es düster aus: Nennenswerte Eigenproduktionen sind kaum vorhanden, zuletzt wurden verzichtbare Doku-Soaps wie "Junior Docs" realisiert. Eigentlich stehen immerhin circa 25 bis 30 Millionen Euro pro Jahr für die Programmgestaltung bereit. Die Sendergesichter Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf haben sich Richtung Konkurrenz verabschiedet. Mit der Selbstwahrnehmung ist die Entwicklung von ZDFneo kaum noch in Einklang zu bringen. Senderchefin Simone Emmelius, seit April 2012 Nachfolgerin von Norbert Himmler, sieht den Kanal zumindest nach außen hin noch immer als "Experimentierfläche" und klopfte sich in einem Interview mit jetzt.de zum Amtsantritt noch ordentlich auf die Schulter: "Junges Fernsehen ist bunt, eckt an, macht mir Mut, setzt Impulse, unterhält, nimmt mich mit, lässt mich laut lachen und manchmal auch Tränen verdrücken - kurz: es trifft das Lebensgefühl der Zielgruppe. All das versuchen wir bei ZDFneo umzusetzen. Ich finde, es gelingt uns ganz gut." Tatsächlich gibt die traurige Entwicklung aber jenen Kritikern recht, die in den Digitalsendern lediglich ein Feigenblatt sehen, dank dessen Existenz Programme für jüngere oder auch anspruchsvollere Zuschauer aus dem ZDF-Hauptprogramm ferngehalten werden können. Wenn aber ZDFneo nicht einmal mehr diese fragwürdige Funktion erfüllen kann, hat der Digitalsender seine Existenzberechtigung endgültig verloren. 24.01.2013 - Michael Brandes/wunschliste.de Bild: ZDFneo [www.wunschliste.de] In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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