Eines ist auffällig und für mich doch sehr bestürzend: die Macher von zdf.kultur und all diejenigen, die sich in diversen Foren zu Wort melden und den Rahmen befürworten – darunter sind wohl einige Mitarbeiter und Pflichtschreiber von zdf.kultur – sind Leute, die sich für diese alten Sendungen selbst gar nicht interessieren. Sie denken in dem Moment auch gar nicht darüber nach, wie es ihnen gefallen würde, wenn man IHRE Lieblingssendungen in einer vergleichbaren Weise behandeln würde. zdf.kultur unternimmt seine Eingriffe ja ausschließlich an alten Archivsendungen von fremden Urhebern und eben nicht an aktuellen und selbstverantwortlich hergestellten Eigenproduktionen.
Ich möchte in dem Zusammenhang eine Antwort zitieren, die ein anderer Nutzer erhalten hat: und die in jeder Hinsicht entlarvend ist:
„Sehr geehrter Herr ___,
ich bedauere es, dass Ihnen die grafische Gestaltung der Kultschiene von ZDFkultur missfällt. ZDFkultur ist ein popkulturell ausgerichteter Kanal, der seine Inhalte mit einer ihm eigenen Haltung ausstrahlt. So wie unsere Moderatoren unser Program einordnen und kommentieren, so dienen auch die grafischen Elemente des Senders, die Haltung der Macher von ZDFkultur auszudrücken. Unsere Haltung zu den gezeigten Kultprogrammen des ZDF ist, zu betonen, dass sie aus einer Zeit kommen, in der Fernsehen eine andere Rolle gespielt hat, technisch wie gesellschaftlich. Deswegen der imitierte Röhrenfernseher. Das mag auf den ersten Anblick irritierend sein, dennoch lädt er zum Nachdenken und auch zum Schmunzeln ein. So sehen es im übrigen viele andere Zuschauer.
Ich möchte Sie bitten, sich einer solchen Haltung nicht von vornehrein zu verschließen. In einem Land, in dem wir über 60 frei empfangbare Kanäle haben, bedarf es eines Angebotes, das ein besonderes Verhältnis zu sich selbst als Medium entwickelt. Ich würde mich freuen, wenn Sie dieser Einladung auch in Zukunft folgen würden.
Dass der grafische Rahmen zu Schäden an Plasmabildschirmen führen kann, ist unwahrscheinlich, da er im ZDFkultur-Programm täglich lediglich 90 Minuten ausgestrahlt wird und somit deutlich kürzer als zum Beispiel die gängigen 24 Stunden Dauer-Senderlogos der Fernsehsender gesendet wird. Für nähere Informationen über die Gefährdungswahrscheinlichkeit Ihres Fernsehgerätes wenden Sie sich bitte an die Herstellerfirma.
Es gibt wohl wenig Leute auf der Welt, die gerne bevormundet werden aber leider umso mehr, denen es Spaß macht, andere zu bevormunden und sich durch das damit verbundene Gefühl, Macht über andere ausüben zu können, eigene Selbstbestätigung verschaffen. Genau das drückt nämlich diese hier beschriebene Haltung aus: „Das ist alles alter Kram von gestern, der heute nur noch lächerlich ist. Stempel drauf und ab in die Ecke. Und unsere Meinung ist die allein selig machende, deshalb gibt es daneben gar nichts.“
Regelrecht zynisch ist die Begründung, warum das legitim sein soll. Ja, es gibt wohl 60 frei empfangbare Kanäle; aber man zeige mir bitte einen einzigen deutschsprachigen Sender unter diesen 60 Kanälen, der 60er Jahre s/w-Fernsehserien wie „Ulrich und Ulrike“, „Meine Frau Susanne“ oder Spielshows aus den 70er Jahren wie „Dalli Dalli“ ausstrahlen würde. Da gibt es nämlich unter den 60 Sendern keinen einzigen. 3sat zeigt solche Sendungen schon lange nicht mehr; der Theaterkanal war im Rahmen der ZDF Senderfamilie überhaupt der letzte Sender für die Liebhaber solcher Archivprogramme.
Nach wie vor kann heute jeder alle (!) Sendungen auch auf einem Röhrenfernseher ansehen, wenn er dies möchte. Es gibt nirgends andere Sendungen auf keinem Sender weit und breit, die in so einer Weise präsentiert werden. Aber es ist natürlich unbedingt nötig, diese Haltung einzig auf dem Rücken und auf Kosten einer kleinen Minderheit von Nischenzuschauern auszuleben, die die von ihnen geschätzten Programme sonst nirgends mehr gezeigt bekommen. Hut ab!
Es spricht eine sehr herabwürdigende und verächtlich machende Gesinnung aus dieser Haltung: „Ich spucke jemand anders, der nichts weiter möchte, als in Frieden etwas zu essen, das ihm schmeckt, mit Lust in seine Suppe und empfinde Genuß und Befriedigung dabei, zuzusehen, wie jemand anders meinen Rotz fressen muß“.
Ein altbeliebtes Mittel von Diskriminieren seit jeher ist es, den Diskriminierten lächerlich zu machen. Das eine große öffentlich-rechtliche Anstalt wie das ZDF das tut, ist beschämend. Ein Jungmoderator wie Rainer-Maria Jilg (der die spöttische Ansage zu „Ulrich und Ulrike“ sprach [www.youtube.com] ) hat aber etwas grundlegendes in dem Beruf nicht verstanden: sein Publikum sollte man nicht beschimpfen, sondern pfleglich behandeln. Hochmut kommt vor dem Fall - die Zahl von „Prominenten“, die nach kurzem Aufenthalt in höchsten Sphären in die tiefsten Tiefen fielen und ein Ende in Armut fristeten, ist nicht eben klein. Wer seinem Publikum so unverhohlen Verachtung zeigt, muß früher oder später dort landen.
Sicher gibt es andere und weitaus gewichtigere Probleme auf der Welt als diesen Rahmen. Aber wozu überhaupt diese Relation? Kann man nicht gerade an diesem Beispiel sehr viel lernen: Wenn es weniger Menschen auf der Welt geben würde, die Freude und Befriedigung darin finden würden, anderen Menschen ihren Willen aufzuzwingen und diese dominieren zu wollen, wäre die Welt sicher um Vieles besser. Wer will könnte durchaus erkennen, dass Diffamierung und Diskriminierung gerade mit den kleinen Dingen im Alltag beginnt.
Der Unterschied, ob man jemanden abkanzelt und ausgrenzt, weil er bestimmte Sehgewohnheiten und Inhalte bevorzugt, die heute als nicht mehr massenkonform gelten oder jemanden z.B. wegen seiner Hautfarbe in eine Ecke stellt, ist imho kein sehr großer. Jedenfalls die Ideologie, die dahinter steht, ist dieselbe.
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die Du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (Kant)