Meine Güte, was für eine Diskussion.
Mich haben die politischen Statements in der Lindenstraße nie gestört - im Gegenteil, die Serie muss nicht neutral sein. Darüber hinaus ist sie mit den (z. T. wirklich leicht künstlich klingenden Aktualisierungen) ein Zeitkdokument. Ich möchte da nicht drauf verzichten.
Vieles mag piefig sein, manches auch - in seiner Geballtheit - unrealistisch, aber für mich ist die Lindenstraße die einzige ernstzunehmende deutsche Serie. Oder sagen wir mal so - Nicht-Krimiserie.
Alles, was in der Lindenstraße passiert, ist deutscher Alltag - nicht alles in einer Straße, aber dafür ist es eben eine Serie. Die Menschen sind jung und alt, arm und reich (meistens Mittelstand), sie sind weder besonders schön noch besonders erfolgreich. Und sicher sind sie auch nicht sonderlich glücklich und haben irgendwo auch Dreck am Stecken. Das ist normal und hat weder etwas mit Satire noch mit unrealisitscher Handlung zu tun. Das einzige Unrealistische ist tatsächlich die Geballtheit in einer Straße bzw. in einem Haus.
Solche Menschen kennen wir alle, z. T. in der direkten Nachbarschaft, im Kollegen- und im Freundeskreis. Und vielleicht sehen wir uns sogar irgendwo selbst.
Trotzdem darf man nicht vergessen, dass es eine Fernsehserie ist, die den Anspruch erfüllen soll (nicht Fernsehserie allgemein, sondern Lindenstraße), zu unterhalten, aktuelle Themen aufzugreifen und irgendwo realitätsnah zu bleiben. Und das kann die Lindenstraße wie keine zweite Serie, auch wenn manchmal etwas daneben geht.
Geißendörfer will nun also junge Zuschauer begeistern. Klar, dass Gabi, Helga und Dr. Dreßler das nicht leisten können. Das wird gar nicht schlecht gemacht mit der frühen Elternschaft (obwohl in der Lindenstraße ein alter Hut) und der Orkan-Problematik. Nur bei der Übernahme des Reisebüros durch Josy und Alex hat er sich allzu sehr von jungen Geschäftsinhabern bei GZSZ inspirieren lassen.
Allzusehr verjüngen sollte er aber nicht. Wenn ich auch Leuten wie Nolte, Griese, von der Marwitz und Bennarsch überhaupt nichts abgewinnen konnte (und zum Teil auch ziemlich unrealistisch daher kamen, genau wie Dr. Dreßler heute), haben sie das Bild abgerundet. Die Klings und Onkel Franz gehörten für mich immer dazu. Und jetzt rücken die nächsten nach: Helga, Erich, Hans, Andy, Hajo.
Was ich mir von der Lindenstraße wünschen würde, wären konsequent durchgezogene Handlungsfäden. Die Gabi-Entlassung war so ein Fall, wo ich mich fragte, was das sollte. Und jetzt habe ich das Gefühl, die Hilde-Demenz wird nicht weitergeführt, irgendwann werden wir vielleicht erfahren, dass sie ins Heim kommt. Dabei ist die Geschichte sehr interessant, weil Alltag in vielen Familien.
Wer Satire oder grottenschlechte Serien sehen will, kann sich an Daily Soaps oder "Alarm für Kobra 1" halten. Da ist die Kritik berechtigt. Und im übrigen: nach 25 Jahren kann sich eine Serie auch mal ein paar Hänger leisten. Das sollen andere erst mal nachmachen. Wobei lange Laufzeiten grundsätzlich kein Symptom für Qualität ist, wie wir an GZSZ und ähnlichem Schrott sehen.