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Premiere/Sky: Große Sprüche, nichts dahinter
Der Name ist zwar neu, aber schon sind wieder die alten Parolen zu hören. Von mehr als sieben Millionen Abonnenten träumt der neue Premiere-Chef Mark Williams. Sein hoch defizitäres Unternehmen pulvert ab Juli 100 Millionen Euro in eine gigantische Werbekampagne, um "Sky" bekannt zu machen - und ist auch noch stolz darauf, dass in Deutschland nur Aldi und Lidl noch mehr Geld in Werbung investieren. Vollmundige Zahlenspielereien dieser Art haben auch schon seine Vorgänger erfolglos betrieben. Steckt Inkompetenz dahinter? Oder schon Größenwahn? Oder ist Williams zu der Ansicht gekommen, dass sich Investoren nur mit markigen Sprüchen ködern lassen? So oder so - der jüngste Auftritt zeigt, dass man in Unterföhring nichts dazugelernt hat. Damit wird die Chance verpasst, am maroden Image, an der fehlenden Seriosität der Vorjahre zu arbeiten, als das Unternehmen unter anderem durch beschönigte Abo-Zahlen, leere Programmversprechungen und mangelhaften Kundenservice in die Kritik geraten ist. Vielleicht hätte man die 100 Millionen besser mal in die Programmqualität investiert, denn das angekündigte "neue Fernseherlebnis" ist weit und breit nicht zu finden. Etliche Sender werden einfach umbenannt, exklusive Kanäle gibt es kaum. Ein neues Erlebnis sind lediglich die Preise, die für Film- und Fußballfreunde drastisch ansteigen. Ausgerechnet in Zeiten der Rezession sollen die Kunden künftig 32,90 Euro statt 19,90 Euro für die Bundesliga zahlen. Wer auch noch DFB-Pokal und Champions League sehen will, ist mit 44,90 Euro dabei. Begründet wird das mit dem "Mehrwert": Ab der neuen Saison gibt es pro Spieltag fünf (bisher drei) Anstoßzeiten. Wer aber hat die Zeit, sich fünf Spiele am Wochenende anzusehen? Durch die Zersplitterung des Spieltags wird außerdem die von den meisten Zuschauern bevorzugte samstägliche Konferenzschaltung abgewertet. Bei einem Preisanstieg von 65% dürften nicht wenige bisherige Abonnenten die zeitnahe Zusammenfassung im Free-TV ab 18.30 Uhr als reizvollere Alternative empfinden. Gern zieht Williams bei seinen Abo-Erwartungen den Vergleich zum Ausland: Sky hat knapp fünf Millionen Abonnenten in Italien, sogar rund neun Millionen in Großbritannien. Dort ist die Premier League im Free-TV allerdings auch Mangelware und der gesamte Free-TV-Markt bei weitem nicht so groß und vielfältig wie in Deutschland. Solange es Sky also nicht gelingt - vor allem im Sportbereich - für mehr Exklusivität für sich (und seine Kunden) gegenüber dem Free-TV zu sorgen, verbietet sich jeder Vergleich mit dem Ausland. Was Williams ebenfalls nicht berücksichtigt: Die Konkurrenz für das klassische Pay-TV wird durch das Internetfernsehen mit Angeboten wie "T-Home Entertainment" in naher Zukunft immer größer und dürfte weitere Abonnenten kosten. Abseits vom Fußball ist das Sky-Programm trostlos. Darunter leiden besonders Kinofans. Das Angebot von 25 Spielfilmen in Erstausstrahlung pro Monat bleibt unverändert, die Qualität wurde in den letzten Jahren aber schleichend heruntergefahren. Hochwertige Ware aus Hollywood ist kaum noch dabei, dafür werden den Kunden zum Großteil belanglose TV-Movies und unterklassiger Videotheken-Schrott untergejubelt. Auf den übrigen Filmkanälen rotieren ohnehin nur die ewig gleichen Filmoldies in Endlosschleife. 32,90 Euro ist das keinesfalls mehr wert. Bei jedem Video-On-Demand-Anbieter oder DVD-Onlineverleih finden Cineasten ein besseres Preis-Leistungsverhältnis vor. Das "Sky Welt"-Basispaket ist ebenfalls kein Schnäppchen. Fast alle Sender sind auch bei konkurrierenden Pay-TV-Plattformen auffindbar, in der Regel zu attraktiveren Gesamtkonditionen. Sehr fragwürdig ist zudem die Benachteiligung der Kabelkunden, denn nur Satellitenkunden erhalten das "Sky Welt Extra"-Paket mit knapp 20 weiteren Sendern bei Buchung von zwei Paketen gratis dazu. Neue Programmideen hatte Premiere schon seit Jahren nicht. Dabei wäre noch genug Potential vorhanden. Fragwürdig ist zum Beispiel, warum ein kulturinteressiertes Publikum mittleren Alters überhaupt nicht angesprochen wird - etwa in Form eines eigenen Kulturkanals, in dem hochwertige Serien und Dokumentarfilme sowie Arthouse-Filme, die im Kino oft Millionen Zuschauer finden, präsentiert werden. Diese potentielle neue Zielgruppe ist zahlenmäßig groß und vor allem finanzkräftig. Zudem sollte ein Sender, der sich ganz unbescheiden als First-Class-Anbieter mit sieben Millionen potentiellen Kunden betrachtet, auch mal darüber nachdenken, ob er im fiktionalen Bereich nicht auch mit Eigenproduktionen aufwarten müsste. Wie wenig das Unternehmen begriffen hat, dass der Erfolg vor allem von einer klaren Abgrenzung zum Free-TV abhängt, zeigt das abschließende Beispiel: Vom 100-Mio-Werbebudget fließen satte 40% in die TV-Werbung - damit unterstützt Sky vor allem die konkurrierenden Free-TV-Sender, die diese Werbegelder zur Zeit dringender als je zuvor benötigen. Eine dominante Rolle in den neuen Werbespots soll dabei Franz Beckenbauer spielen - gerade das ist sehr belustigend, denn der "Kaiser" ist in der kommenden Saison als Experte nicht nur für Sky am Ball, sondern auch für Sat.1 - kostenfrei. Noch offensichtlicher hätte Sky seinen eigenen Status kaum entlarven können: Wenig Exklusivität für teures Geld. 20.06.2009 - Michael Brandes/wunschliste.de [www.wunschliste.de] In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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