So sehe ich das auch. Humanistische und aufklärerische Ideen sind zwar teilweise aus dem Christentum heraus entstanden, mussten aber gegen das Christentum erkämpft werden.

Dass dabei auch das in unseren Breiten praktizierte gezähmte Christentum durch die "Dompteurschule" der Aufklärung gehen musste, macht die Religion vielleicht etwas kompatibler. Dabei sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass das Christentum an sich, wie alle monotheistischen, messianischen Religionen, niemals mehr als nur eine Teilmenge mit dem säkularen Humanismus und sich daraus ergebenden universalen Menschenrechten bilden kann.

Solange so eine religiöse Ethik nur den einzelnen direkt betrifft, kann sie ruhig faul und irrational sein. Probleme gibt es dann, wenn sie anderen Menschen in irgendeiner Form aufgezwungen wird oder missioniert werden soll.
Das ist in der Tat das, was gemeint ist, wenn man sagt, dass die Freiheit der Religion auch Freiheit von Religion impliziert, und wenn ich ganz ehrlich bin, dann sehe ich auch nichts Exklusives im Christentum, wenn man es auf seine positiven Elemente herunterbricht, was über persönliche Besänftigung, Tröstung oder - wie Marx das sinngemäß kritisiert - Sedierung hinaus geht.

Tatsächlich sehe ich das eher wie der Physiker Steven Weinberg:
„Religion ist eine Beleidigung der Menschenwürde. Mit oder ohne sie würden gute Menschen Gutes tun und böse Menschen Böses. Aber damit gute Menschen Böses tun, bedarf es der Religion.“ (Religion is an insult to human dignity. With or without it you would have good people doing good things and evil people doing evil things. But for good people to do evil things, that takes religion.).

Deshalb hoffe ich doch, dass man auch auf das Christentum und seinem einen personellen Gott irgendwann einmal blicken wird wie man schon heute auf Götter wie Odin oder Zeus blickt, so wie man heute den Carl Benz Patent-Motorwagen im Vergleich zu einem aktuellen und modernen Automobil betrachtet.