Thomas G;-) schrieb:
-------------------------------------------------------
> Klischees sind eben Klischees.
>
> Ich bin ein 70-er Jahre West-Kind.
> Heruntergekommene Häuser, Leute ohne fließendes
> warmes Wasser, und vereinzelte Kriegs-Ruinen habe
> ich da auch noch erlebt. Und etliche Leute die zum
> Telefonieren zum Nachbarn mussten.
Dass in der DDR nur ein geringer Prozentsatz der Privathaushalte ein Telefon hatte, während es in der BRD die große Mehrheit war, ist aber kein Klischee, sondern Tatsache. Man musste in der Bundesrepublik nicht jahrelang auf die Zuteilung eines Anschlusses warten.
Ich bin auch Wessi, Jahrgang '71, und ich kann nicht behaupten, dass ich als Kind/Jugendlicher einen repräsentativen Einblick in die DDR bekommen habe. Aber ich habe durch Briefe, Telefonate, Besuche (leider nur Tagesfahrten) und durch das DDR-Fernsehen diverse Eindrücke gewonnen.
Wir haben regelmäßig eine Schulfreundin meiner Mutter in Magdeburg besucht, die verwitwet war und in einer 3-Zimmer-Plattenbauwohnung lebte. In dieser Wohnung (ca. 70 qm) hatte sie mindestens drei Kinder großgezogen. Wenn wir zu Besuch kamen, haben wir einen Sohn (oder Schwiegersohn?) nie angetroffen, weil er keine Westkontakte haben durfte. Es hieß, dass er sonst seinen Studienplatz riskiert hätte.
Als Kind sind mir bei der Fahrt über die Grenze natürlich zuerst die ganz profanen Gegensätze aufgefallen. Die DDR roch anders, die Autobahn war holprig, entlang der Strecke gab es Wachtürme, und die vorherrschenden Farben waren überall Grau und Braun. Das habe ich damals noch krasser empfunden, als es heute in den meisten Serien oder Filmen dargestellt wird. Die Familie, die wir besucht haben, hat auch sehr offen von den alltäglichen Auswirkungen der Planwirtschaft berichtet. Als Fernsehfreak fand ich es z.B. schon ungewöhnlich, dass es in der DDR nur eine einzige Programmzeitschrift gab (FF dabei), aber noch viel schlimmer kam es mir vor, dass man diese Zeitschrift nicht so ohne weiteres kaufen konnte. Am Kiosk war sie sehr schnell ausverkauft, und für Abonnements gab es Wartelisten. Dass die Westprogramme nicht abgedruckt wurden, versteht sich von selbst.
Aber um mal auf den Artikel von Thilo Mischke zu kommen: Ich finde seine Kritik an den heutigen Serien ziemlich diffus, und ich weiß nicht so recht, was genau er sich wünscht. Kein einzelner Film und keine Serie kann natürlich ein repräsentatives DDR-Bild vermitteln. Es sind immer nur Ausschnitte, und was ich da in den letzten Jahren gesehen habe, fand ich meistens durchaus realistisch - mit Ausnahme der Agentenserie "Deutschland '83", die sehr oberflächlich und effektheischend rüberkommt.
Ein Problem ist natürlich, dass kaum eine heutige Serie nur vom alltäglichen "Innenleben" der DDR handelt. Ost und West werden immer gegenübergestellt, oder es geht um Stasi/Stasiopfer/Bürgerrechtler. Aber diie Staatsführung der DDR befand sich ja selbst auch in einem ständigen, fast schizophrenen Konkurrenzkampf mit der BRD. Einerseits wollte man die Überlegenheit des Sozialismus demonstrieren, andererseits hat man mit dem Westen auf allen Ebenen zweifelhafte Deals abgeschlossen, um dringend notwendige Devisen reinzuholen und die Staatspleite zu verhindern. Bloß wurde dieses zwiespältige Verhältnis natürlich in den Massenmedien (bis auf wenige Ausnahmen) nicht thematisiert, jedenfalls nicht in den 80ern. Und die Stasi kam logischerweise auch nicht vor.
Vielleicht wäre es wirklich mal interessant, einen Film oder eine Serie über das Alltagsleben in der DDR zu drehen, ohne großartig auf Stasi, Fluchtgedanken, Bürgerrechtler, Mauerbau und Mauerfall einzugehen. Wirklich repräsentativ wäre das aber natürlich auch wieder nicht ;)
Ansonsten bin ich übrigens auch ein Fan der hier schon erwähnten DDR-Polizeiruf-Folgen. Da gibt es ein paar interessante Themen, die immer wieder vorkommen:
- offener und versteckter Alkoholismus
- hohe Bedeutung von Sachwerten (Eigenheim, Antiquitäten, etc.)
- Autos als Statussymbole: Wer einen Trabi hatte, wollte einen Wartburg. Wer einen Wartburg hatte, wollte einen Lada. Und wer einen Lada hatte, wollte vielleicht einen Mazda.
Die teilweise beengten Wohnverhältnisse wurden ziemlich offen dargestellt. Die Mangelwirtschaft kommt ab und zu in Nebensätzen vor, z.B. wenn die Polizisten erwähnen, dass Blumen nur schwer zu bekommen sind, oder dass es an der Tankstelle gerade so schön leer ist...
Empfehlen kann ich auch "Geschichten übern Gartenzaun" und "Kiezgeschichten".