Ich habe jetzt die letzten Wochen die Originalfassung von Gunsmoke - Rauchende Colts Season 1 bis 7 gesichtet - allesamt Episoden, die in Deutschland nie zu sehen waren und daher in der US Originalfassung.

Zugegeben, Anfangs fand ich "Gunsmoke" ja sehr gewöhnungsbedürftig. Als "Adult Western", also als Westernserie für ein erwachsenes Publikum, funktionierte es für mich nie - und nun, nach Sichtung der fast kompletten Staffel 7, erst recht nicht. Warum? Die Serie kommt anfangs sehr düster daher, sehr trocken, mit Matt Dillon, der zu Anfang fast jeder Folge über den Boot Hill stiefelt und zwischen den Grabsteinen und -kreuzen dahinlatscht und melancholisch vor sich hin philosophiert. Aber das genügt nicht. Diese Melancholie wird gleich durch die obligatorische Begegnung des inoffiziellen Deputy Chester B. Goode und des Doc Adams zunichte gemacht. Denn Chester ist ein schusseliger, gutgläubiger Einfaltspinsel und wird von Doc ständig auf den Arm genommen, gleichzeitig raubt er mit seiner ihm ureigenen Philosophie, die Festus Haggen später aufgreift und nicht minder genial fortführt, dem Doc den letzten Nerv. Dann folgt ein wenig Dramatik, Matt und Chester reiten durch die Botanik (und sie reiten viel, sehr viel), dann gönnt sich Matt mal ne kühle Blonde und stattet seiner Herzallerliebsten Miss Kitty seinen täglichen Anstandsbesuch ab, und so nebenbei pustet er dann manchmal auch ein paar böse Buben von der Landkarte respektive dem Bretterboden des Saloons. Allein die humorigen Einlagen und Dialoge und das Zusammenspiel der Portagonisten sind es, die "Gunsmoke" etwas aus dem Gros der damaligen Flut der Westernserien hervorhebt. Sie als "Erwachsenenserie" zu bezeichnen, fand ich bislang immer etwas zu hoch gegriffen, weil vergleichbare Serien wie "Lawman", "The Rebel", "Shenandoah", "The Loner", "26 Men" und viele andere sehr viel härter, düsterer, spannender und brutaler / actionreicher daherkommen. Selbst in "Westlich von Santa Fe" ist kaum Humor zu finden und wird mehr Dramatik geboten als in vielen Episoden von Gunsmoke.

Meines Erachtens aber war es ein Fehler, nach 5 Staffeln auf ein einstündiges Format zu wechseln. Denn die ohnehin oftmals sehr zahmen, um nicht zu sagen "zähen" Geschichten der halbstündigen Folgen werde nun von den Autoren schier unerträglich in die Länge gezogen. Das ganze läuft nach dem immer gleichen Strickmuster ab. Doc kommt zum Marshal Office, um Kaffee zu schnorren, und legt sich mit Chester an, der natürlich entsprechend reagiert. Matt wird in irgendeine Situation verwickelt, die letztlich dazu führt, dass er irgendeinen oder mehrere Leute wegpustet. Dazwischen spielen sich die wohlbekannten Szenen mit Kitty im Long Branch Saloon ab. Was sich nun allerdings häuft, sind Episoden, in denen es um Liebe und um Tollpatschigkeit und um beides geht. Es bietet sich hinreichend Gelegenheit, das entbehrungsreiche Leben der "Sodbuster" und Kleinrancher und Farmer zu zeigen und so dünn wie Crepes auszuwalzen. Manchmal ist man dabei schon sehr versucht, die Vorlauftaste auf der Fernbedienung zu drücken.

Was mir auch aufgefallen ist - die Geschichten enden oftmals wie das berüchtigte Hornberger Schießen. Man fragt sich dann am Ende: "Was soll das jetzt? Wieso ist das jetzt aus?" Es ergibt oftmals keinen oder nur wenig Sinn, dem ganzen Geplänkel zu folgen und am Ende unbefriedigt dazusitzen. Ganz schlimm fand ich beispielsweise die Folge "The Dreamers" - Zwei alte Goldgräber kommen nach zehn Jahren Buddelei erstmals wieder in die Zivilisation mit Namen Dodge City. Einer der beiden erspäht Kitty, die schönste Frau, die er je gesehen hat. Beide träumen davon, ein Riverboat auf dem Mississippi zu kaufen und dort ihren Lebensabend zu verbringen, aber Liebe macht nun mal alles zunichte. Der Verliebte macht Kitty den Hof bzw. rückt ihr auf die Pelle, und als sie genervt reagiert, versucht er, sie finanziell zu ruinieren und sie so zu zwingen, ihn zu heiraten und mit ihm aufs Riverboat zu ziehen. Sein Kumpel ist allerdings so enttäuscht, dass er in seiner Wut Kitty die Schuld gibt und die "Hexe" loswerden will. Als er sie erschießen will, legt ihn sein liebsblinder Kumpel um. Dadurch wacht der endlich auf, und als er erfährt, dass er die Kohle seines Kumpels ( der ER ja gemeuchelt hat) geerbt hat, spendet er sie und folgt nun allein weiter seinem Traum, den Mississippi zu sehen... Dazwischen labert Chester einen Haufen Schwachfug, kabbelt sich mit Doc, und alle halten zu Kitty...aber helfen können sie ihr nicht. Das Ganze war so an den Haaren herbeigezogen, und zäh noch dazu.

Und so geht das durch die ganze Staffel. Von 30 Episoden kann man im Prinzip die Hälfte bis zwei Drittel getrost vergessen. Allein Chester und Doc sind das Anschauen wert.

Ganz schlimm, und das nehme ich den Autoren wirklich im Nachhinein übel, ist ein Fakt: Ich habe ja nun wirklich sehr, sehr viele Westernserien und Westernfilme und auch andere Serienklassiker gesehen. Aber ich habe nie zuvor (jedenfalls fällt mir kein Beispiel ein) eine Serie gesehen, deren Geschichten so VORHERSEHBAR sind wie bei Gunsmoke. Da reitet jemand in die Stadt und wir wissen: Das gibt Ärger. Da liest Marshal Dillon ein Telegramm über jemanden, der Hunderte von Meilen entfernt ne Bank überfallen hat, und wir wissen: Holla, DER kommt nach Dodge, und das gibt Ärger. Da kommt ein Mann mit seiner Frau nach Dodge und kommandiert sie rum wie eine Sklavin, und wir wissen sofort: Holla, der kriegt sein Fett weg und Ärger... mit dem Marshal. Da soll Chester die gute Miss Kitty von einer Ranch abholen, und sie fahren durch die Landschaft und wir wissen - weil wir vorher die Banditen gesehen haben - sofort: Beim nächsten Wasserloch gehts den beiden an den Kragen. Und so weiter... Das ist sooo furchtbar. JEDEN Morgen schlurft der Doc zum Office, um Kaffee zu schnorren. JEDEN Mittag oder Abend schnorrt Chester vom Doc Geld fürs Essen. JEDER Bösewicht, der den Long Branch Saloon betritt: Oha, gleich kriegt er von Matt die Hucke voll oder wird niedergeballert oder ballert selbst jemanden nieder und landet im Kittchen. Und um das Maß dann noch voll zu machen: Matt stellt einen Bösewicht, der aber allein schon von der Physiognomie kein Gegner für ihn ist. Er hat ja Revolvermänner angeheuert, weil er nicht schnell ist. Als Matt ihn aber auffordert, den Gurt abzuschnallen und ihn einbuchten will, sagt er: "Niemand buchtet mich ein!" und - GREIFT ZUM SCHIESSEISEN!!! Und natürlich stirbt er. WARUM MACHT DER SOWAS??? Das ist doch Schwachfug! Genauso, wie JEDER Gegner, der Matts Colt auf sich gerichtet sieht, meint, er könne schneller sein als ne Revolverkugel... Wenn mein Lieblingswesternautor aus USA sowas in seine Romane schreiben würde, würd ich die Dinger an die Wand schmeißen und ihm die Freundschaft kündigen. Sowas enttäuscht mich dann doch wirklich.

Und so werde ich weiterhin die eine oder andere Gunsmoke-Folge sichten, weiterhin in der Hoffnung spannender Westernunterhaltung, aber nachvollziehen, warum sich Gunsmoke so lange halten konnte, werde ich wahrscheinlich nie können. Irgendwas muss die Serie gehabt haben, was ihren Erfolg ausmachte. Was es war, habe ich bislang allerdings noch nicht erkennen können.

Der Lonewolf Pete



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 18.03.15 01:08.