Spoonman schrieb:
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> Argus schrieb:
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> > Spannender - und authentischer - als manch ein
> > Tatort. Gefällt mir. Verwirrt hat mich dagegen
> > die anschliessende Dokumentation, in der die
> > Schauspieler plötzlich andere Rollen gespielt
> > haben. Ich habe erst minutenlang an mir
> > gezweifelt, ob ich zuvor die Serie falsch
> > verstanden habe.
>
> Ja, das fand ich auch sehr unglücklich. Mir ist
> zwar relativ schnell klar geworden, wie es gemeint
> ist, aber trotzdem wirkten die ständigen
> Rollenwechsel immer wieder irritierend. Da hätte
> man lieber andere Darsteller nehmen sollen - und
> auch nicht nur vier, sondern für jede Rolle
> einen.
Mich hat das auch nur am Anfang ein wenig verwirrt, und dann habe ich mich gut rein gefunden. Es stand ja immer dabei, wen sie gerade zitierten, und sie wechselten auch die Kostüme/Frisuren/Accessoires, je nachdem, wen sie sprachen. Aber die Zitate von Zeitzeugen sprachen ja auch für sich.
Das Ende jagte mir, die wusste wie die Geschichte weiter geht, doch ein Schauer über den Rücken. Alle sagten, was sie sich vom neuen Jahr 1930 erhofften, nur Joseph Goebbels sagte nichts und starrte einen nur drohend an...
Besonders berührt hat mich auch die Geschichte von Fritz Selbiger. Anfangs berichtete er von Rendezvous mit jungen Damen und von Tanzabenden in schicken Restaurants - wobei er da schon etwas nachdenklich war. Später machte er sich Sorgen um den Gesundheitszustand seiner Eltern, und hoffte, dass sie das nächste Jahr am Leben bleiben.
Mich hat interessiert, ob seine Eltern das nächste Jahr überlebten, und ob er als Jude den Nazinalsozialismus überlebt hat. Und bei Recherchen habe ich das gefunden: Eine Gedenktafel an dem Haus der ehemaligen Glaserei seines Vaters (und später seiner eigenen Glaserei):
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www.gedenktafeln-in-berlin.de]
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Hier befand sich von 1876 bis zum November-Pogrom 1938 das Geschäft des jüdischen Glasermeisters Selig Selbiger und seiner Frau Regina.
Selig Selbiger prägte nicht nur maßgeblich das Pankower Handwerkerleben, sondern gründete auch 1895 mit Moses Heimann den jüdischen Religionsverein Agudath Achim (Vereinigung von Brüdern), dessen Synagoge sich in der Schönholzer Straße 10 / 11 befand.
Fritz Selbiger übernahm von seinem Vater die Glaserei und führte sie bis 1962. (Unterbrechung von 1938 - 1945) Er überlebte die Verfolgung durch die Nazis. Die Schwestern Hedwig und Käthe, wie auch die Ehefrau Edith und 38 weitere Pankower Familienmitglieder wurden ermordet.
Selig Selbiger (1852 - 1932)
Regina Selbiger (1864 - 1951)
Käthe Selbiger (1893 - 1943)
Hedwig Selbiger (1890 - 1943)
Fritz Selbiger (1904 - 1989)
Edith Selbiger (9102 - 1943)
Zum Gedenken an die Familie Selbiger, einem einstmals festen Bestandteil des religiösen und kulturellen Lebens der Juden in Pankow, das durch die Shoah vernichtet wurde.
Hier steht auch etwas über ihn:
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www.berliner-woche.de]
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Des Weiteren wird in der Ausstellung das Auf und Ab der Glaserei S. Selbiger in der Wollankstraße 133 dargestellt. Diese wurde 1895 von Selig Selbiger in der damaligen Vorortgemeinde Pankow gegründet. Die Geschäfte florierten. Pankow wurde als Wohnort immer beliebter. Es wurde viel gebaut, und der Glasermeister hatte viel zu tun. Als die Nazis an die Macht kamen und im Frühjahr 1933 zum landesweiten Boykott jüdischer Geschäfte aufriefen, bekam das auch die Glaserei zu spüren. Vor der Wollankstraße 133 nahmen SA-Leute Aufstellung. Das schreckte die Kundschaft ab. Später kamen fast nur noch jüdische Auftraggeber. Im November 1938 musste die Glaserei schließen. Fritz Selbiger, der den Betrieb von seinem verstorbenen Vater übernommen hatte, wurde mit seiner Frau Edith zur Zwangsarbeit in einem Betrieb verpflichtet. Während seine Frau ein Opfer der Fabrikaktion der Nazis wurde, überlebte Fritz Selbiger. Er wagte nach dem Krieg einen Neuanfang. Er gründete erneut eine Glaserei an der Wollankstraße, die er bis 1961 betrieb. Im hohen Alter starb er im Dezember 1989.
Sein Vater überlebte also das Jahr 1930, starb aber 2 Jahre später. Wobei ihm dadurch sicher viel Leid erspart blieb. Fritz Selbiger und seine Mutter überlebten den Holocaust, seine Frau und seine beiden Schwestern starben.
Es gibt auch ein Büchlein (bzw. es ist nur ein kleines dünnes Heft) über ihn, das ich mir bestellt habe, und das ich vor einigen Tagen erhalten habe:
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www.zvab.com]
Ich hoffe, dass ich die Tage mal dazu komme, das zu lesen.
Was aus Clara Brause und ihrer Tochter Erna wurde hätte mich auch interessiert, aber über die habe ich nichts weiter gefunden.