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Re: Gestorben wird immer: Die Krimiflut im deutschen Fernsehen
Inhaltsstarke Serien oder originelle Komödien sind teuer, weil sie eines guten Drehbuchs und einer patenten Schauspielerriege bedürfen. Einen Billigkrimi kann jede Produktionsfirma nach dem Baukastenprinzip zusammenfriemeln, dazu braucht es gerade mal ein paar rauchende Köpfe, die im Team Brainstorming betreiben oder alte Krimistoffe ein wenig umgestalten/variieren. Die Umsetzung erfolgt dann nach dem berühmten Schema F, der Dreh im nächsten staubigen Hinterhof.
In teure Drehbücher und lange Planungsphasen will heute kein deutscher Sender mehr investieren, eher noch in schablonenhafte Krimis vor Hochglanz-Kulisse oder in Bergretter- und -doktorendramen, die sich in einem Aufwasch produzieren lassen, bei denen der Helikopter gleich für mehrere Folgen aufsteigt und sich die atemberaubenden Aufnahmen staffelübergreifend recyceln lassen. Keine Frage, diese Geschichten kosten eine Stange Geld, aber die Stories sind genauso blass wie die an sich begabten Darsteller in den dünnen, stereotypen Geschichten rüberkommen. Heute schaffen solche Formate gut und gern 10-15 Staffeln, beispielhaft dafür sind die ständig wiederkehrenden Motive und "Running Gags" der Rosenheim-Cops, die nicht nur Krimi sondern zugleich zünftiger Bajuwarenschwank sein wollen. Das Fernsehpublikum, das noch nicht streamt, downloadet oder Silberscheiben einlegt ist genügsam geworden und alle anderen hat man, wie es scheint, schon kampflos aufgegeben. Gute Krimis lassen sich nicht inflationär herstellen, weil sie einen durchdachten Plot brauchen und gut herausgearbeitete Charaktere aufweisen müssen, die den Zuschauer fesseln. Einen guten Krimi oder Mehrteiler erkennt man daran dass er Atmosphäre hat und sogar dann noch Spaß macht, wenn man den Ausgang bereits kennt. Wie schlimm dieses Formatdenken um sich gegriffen hat ersieht man an Serien, in denen grundsätzlich nicht gelacht werden darf (z.B. "Der Bergdoktor") und solche, bei denen jeder dritte Satz ein Kalauer oder Schenkelklopfer ist ("Rosenheim-Cops"). Da bleibt jeder ganzheitliche Ansatz auf der Strecke. Die Zeiten, in denen ARD und ZDF jeden Tag eine andere sündteure Vorabendserie über die Bildschirme jagten, sind endgültig vorbei. Vor 20 Jahren mietete man die kostspieligen Locations oft genug für gerade mal dreizehn 50-minütige Episoden, anschließend wurde ein anderes gut recherchiertes Sujet eröffnet und ein neuer, aufwändiger Plot entworfen, der sich an völlig anderen Schauplätzen entfaltete. "Die Geschichte ist auserzählt", hieß es damals nach spätestens vier Staffeln - oftmals viel zu früh, weil die Serie oder Reihe durchaus noch Potential hatte und die Quoten gut waren. Heute wird jedes auch nur halbwegs funktionierende Format mit aller Gewalt in die Länge gezogen. 2-mal bearbeitet. Zuletzt am 01.05.16 00:19. In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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