Tatsächlich bin ich auf die Homophobie in der Reggaeszene auch in etwa um das Jahr 2000 herum aufmerksam geworden, durch einen schwulen Bekannten, der anlässlich einer lokalen Veranstaltung aktiv werden wollte.
Bis dahin war mir auch nur ein ausgeprägter Sexismus bekannt, der mir aus der Hip-Hop-Szene auch nicht so wahnsinnig fremd war.
Damals hatte ich da schon die Füße stillgehalten, und da muss ich mir auch eine Voreingenommenheit eingestehen, der gemäß ich nicht bereit gewesen wäre, den Unterdrückten wegen ihrer eigenen wenig vertretbaren Haltung auf die Füße zu pinkeln. Heute würde ich das anders bewerten, nicht zuletzt auch, weil sich die Hip-Hop-Szene in den folgenden Jahren für mich zunehmend als ähnlich homophob erwies.
Mittlerweile bilde ich zumindest ein, genug darüber zu wissen, um behaupten zu können, dass das kein einfaches szenetypisches Problem ist. Es ragt viel weiter hinein in die Alltagskultur der Schwarzen in den USA und Jamaika und manifestiert sich dann über den Kulturexport auch bei uns.
In den Herkunftsländern ist man definitiv mit einer Melange aus einer deutlich ausgeprägteren Gläubigkeit in irgendeiner Form, mit Sexismus und weitreichender Homophobie konfrontiert, und die Adaption und grundsätzliche Attraktivität für Menschen, die das auch bei uns vertreten, macht auch eine deutsche "Szene" zu einem Sammelbecken für solche Leute.
Gerade im Hip Hop, der besonders durch migrantische Milieus geprägt ist, fällt das entsprechend auch auf fruchtbaren Boden.
Da gibt es eine Menge zu kritisieren, und der größte anzunehmende Tabubruch bestünde deshalb wohl in einem schwulen, atheistischen, zur Gleichberechtigung positiv eingestellten Rapper oder Reggaekünstler, der Müttern keinen Geschlechtsverkehr androht, Schwulen keine Schläge oder schlimmeres androht und bei anderen Androhungen des Vollzugs von Geschlechtsverkehr gerade aufgrund der vorherrschenden Homophobie etwas zu ernst genommen werden dürfte.
Das Jamaikabild hat sich dabei eigentlich nicht verändert. Die Sensibilität unserer Gesellschaft bezogen auf Themen wie Geschlechtergleichstellung und Homosexualität hingegen schon.
Die Gesetze gegen homosexuelle Männer sind in Jamaika jedenfalls haarsträubend: [
de.wikipedia.org]
Die zitierte Einschätzung zur gesellschaftlichen Situation in diesem Artikel finde ich etwas merkwürdig. Die erwähnten Reggae- und Dancehallmusiker tragen vielleicht auch nicht gerade zu einem schwulenfreundlichen Gesellschaftsklima bei, allerdings liest es sich dort fast so, als seien diese die Ursache, während ich die gesamte Gesellschaft mit ihrer homophoben Einstellung viel stärker in der Verantwortung sehe.
Außerdem stehen auch hier wieder einmal religiöse Akteure als Verstärker am Pranger.