UPDATE: Das ZDF hat jetzt enthüllt, dass es sich bei gesamten Aktion um einen großen Streich von Jan Böhmermann gehandelt hat. Auf Twitter vermeldet der Sender hämisch. "Wir erwägen künftig bei allen @neomagazin-Ausstrahlungen im TV und im ZDI den Warnhinweis „Vorsicht Satire!“ zu platzieren. #varoufake"

Der PR-Coup ist Böhmermann jedenfalls vollends gelungen. Er hat es geschafft, die gesamte Medienlandschaft zu verunsichern und das Interesse auf sich zu lenken. Die i & u TV GmbH & Co. KG, die Produktionsfirma von "Günther Jauch", verstand hingegen keinen Spaß und preschte heute Morgen mit einer Pressemitteilung hervor, in der sie "Beweise für die Behauptung von Jan Böhmermann" einforderte.

ZUVOR: Es dürfte der größte Coup der jüngeren Fernsehgeschichte sein - sofern es tatsächlich stimmt: Seit Sonntagabend rätselt Deutschland über das angeblich gefälschte Video, dass den griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis zeigt, wie er auf einer Konferenz in Zagreb aus dem Jahr 2013 über Deutschland redet und den ausgestreckten Mittelfinger nach oben hebt. In einer Liveschalte der politischen ARD-Talkshow "Günther Jauch" wird Varoufakis zu dem Video befragt. Der Finanzminister leugnet, den Stinkefinger gezeigt zu haben und will Jauch davon überzeugen, dass es sich um eine Fälschung handeln muss: "Das ist von der Konferenz, aber der Finger ist reinmontiert worden, das sage ich Ihnen ohne jeden Zweifel fest zu."

Nach den Manipulationsvorwürfen hat die Redaktion von "Günther Jauch" das Video von mehreren Medienexperten und Netzanalysten überprüfen lassen. In einer offiziellen Pressemitteilung wurde beteuert, dass sich alle Experten darüber einig sind, dass Varoufakis' Vorwurf der Fälschung nicht zutreffe und das Video echt sei. Netzanalysten der Firma "Dence" schlossen am Dienstag eine umfangreiche Analyse mit dem Ergebnis ab, "dass keine Auffälligkeiten für eine Manipulation" festzustellen seien.

Doch nun gab es eine unerwartete Wendung. Jan Böhmermann, Moderator des "Neo Magazin Royale" behauptet, das Video tatsächlich gefälscht zu haben. Die entsprechenden Stellen wurden angeblich von seinem Team in einem aufwändigen Nachbearbeitungsprozess verändert und der Mittelfinger wurde nachträglich eingefügt. Böhmermann hat die Aktion gestern Abend in einem ausführlichen Enthüllungsvideo aufgelöst.



Sollte dies wirklich stimmen, hätte es die kleine Nischensendung von ZDFneo, die von der Allgemeinheit immer noch weitgehend ignoriert wird, geschafft, Günther Jauch und sein Team nach allen Regeln der Kunst vorzuführen. Diskussionen über die journalistische Sorgfalt der Vorzeige-Talkshow des Ersten Deutschen Fernsehens sind ohnehin bereits entstanden, da das Video erst nach Ausstrahlung auf Echtheit überprüft wurde. Auf ähnliche Weise hatte Böhmermann im vergangenen Jahr bereits Stefan Raab an der Nase herumgeführt (wunschliste.de berichtete). Doch mit dem gefälschten Varoufakis-Video würde sich der Satiriker in die Sphären der ganz großen Täuschungen der Fernsehgeschichte katapultieren. Schließlich wäre nicht nur die Redaktion von "Günther Jauch" auf den Schwindel hereingefallen, auch die Boulevardpresse hätte sich dann vor den Augen der Öffentlichkeit blamiert. Die BILD hat unter der Überschrift "Der Lügner" gar einen "Nachruf auf Athens bekanntesten Selbstzerstörer" zusammengeschustert und dabei nicht mit Beleidigungen gespart.

Es gibt jedoch noch immer Zweifel an Böhmermanns Behauptung - eventuell handelt es sich also sogar um einen Fake-Fake. Einige Ungereimtheiten stehen noch im Raum. So hat Yanis Varoufakis nach der für ihn ärgerlichen ARD-Talkshow einen Link zum angeblichen Originalvideo der kompletten Rede getwittert - dieses enthält allerdings ebenfalls den ausgestreckten Mittelfinger. Andererseits wurde das betreffende Video aus dem Jahr 2013 erst am 12. Februar 2015 bei YouTube hochgeladen. Gut möglich also, dass es sich hier bereits um die nachbearbeitete Fassung gehandelt hat. Möglich ist allerdings auch die umgekehrte Variante, also dass der tatsächlich gezeigte Mittelfinger von Böhmermanns Team nachträglich herausretouchiert wurde.


Die Mittelfinger-Szene ist bei Minute 40:30 zu sehen.


Varoufakis hat sich inzwischen ebenfalls erneut bei Twitter zu Wort gemeldet. Er teilte Böhmermanns Video mit dem Kommentar: "Humor, Satire und Selbstironie sind ein gutes Mittel gegen blinden Nationalismus. Wir Politiker können das dringend gebrauchen." Und gegenüber Günther Jauch twitterte er: "Gibt es irgendeine Entschuldigung von Günther Jauch? Dafür, dass er eine versöhnliche griechische Stimme mit einem gefälschten Video mundtot machen wollte?"

Egal ob es sich nun um einen Fake oder einen Meta-Fake handelt: In jedem Fall hat das Team von Jan Böhmermann gezeigt, was heutzutage mit technischen Tricks möglich ist und wie leicht man sich von angeblichen stichfesten Videobeweisen täuschen lassen kann. Chapeau!

Inzwischen hat sich Jan Böhmermann erneut zu Wort gemeldet und Stellung zu den Vorwürfen bezogen, dass es sich bei seinem Enthüllungsvideo um einen Fake handeln soll. Doch auch dieses Video kann - Böhmermann-typisch - so oder so interpretiert werden:



19.03.2015 - Glenn Riedmeier/wunschliste.de
Bild: ZDF/Ben Knabe

[www.wunschliste.de]