"Wetten, dass..?" liegt auf dem Sterbebett. Es wird ein langer und vermutlich qualvoller Tod, denn noch bis Ende des Jahres wird der Showdino künstlich beatmet. Danach ist dann erst einmal Feierabend, versicherte das ZDF am späten Samstagabend. Inzwischen liegen erste Reaktionen von Wegbegleitern wie Frank Elstner und Thomas Gottschalk sowie von Kritikern wie Oliver Kalkofe vor.

Thomas Gottschalk erreichte die Nachricht beim Abendessen durch einen Anruf von Spiegel-Online. "Dann hätte ich das Ding auch gleich selbst an die Wand fahren können", lautete sein ebenso kurzer wie überraschter Kommentar. "Wetten, dass..?"-Erfinder Frank Elstner meldete sich via Twitter zu Wort: "Wetten, dass Ende! Das geht an die Nieren. Alles andere wäre gelogen! Dem Nachwuchs gehört die Zukunft im Netz! Ich bin dabei. Freue mich!"

Das Aus von "Wetten, dass..?" verkündete Markus Lanz am Ende der gestrigen Sendung persönlich: "Wir gehen jetzt in die Sommerpause und sehen uns wieder am 4. Oktober mit den letzten drei Ausgaben von 'Wetten, dass..?'. Das war's, Ihnen einen schönen Abend." Wenige Minuten zuvor, es wirkte fast wie ein symbolischer Akt, hüpfte er noch gemeinsam mit den Sofagästen auf einem Trampolin und trampelte dabei auf seinen Moderationskarten herum.

ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler bestätigte unmittelbar danach die Entscheidung, die gemeinsam mit Lanz getroffen worden sei. Die immer geringere Zuschauerresonanz rechtfertige den Aufwand nicht mehr, so Himmler. Die Ursachenforschung betreibt Himmler frei von Selbstkritik. Schuld sind nicht etwa die Sender, die seit Ewigkeiten Innovationen im Unterhaltungsbereich vermissen lassen und weitgehend altbackene Shows am Stück nach immer gleichem Strickmuster produzieren. Stattdessen reicht der Programmchef den Schwarzen Peter ans Publikum weiter, dem er Showmüdigkeit unterstellt: "In den letzten Jahren hat sich im Showbereich sehr viel verändert. Das trifft alle Sender und Unterhaltungsprogramme, besonders hart aber 'Wetten, dass..?' als traditionsreichste Show in Deutschland. Der Rückgang der Zuschauerzahlen zeigt, dass sich die Sehgewohnheiten verändert haben und das Format an Anziehungskraft verloren hat."

Kein Wort verliert Himmler dagegen zum völlig misslungenen Mini-Relaunch der Sendung nach der Gottschalk-Ära, in dessen Rahmen die die aktuellen Probleme nicht bereinigt, sondern noch verschärft wurden. Kein Wort auch zur Rolle des Moderators, der mit seinem Manierismus nicht zum großen Entertainer geboren ist und bei einem viel zu großen Teil des Publikums keine Anerkennung fand. Nun scheut der Sender den Mut zu einem tatsächlichen "Wetten, dass..?"-Neuanfang mit für ZDF-Verhältnisse radikalen Konzeptänderungen. Die Angst vor einer erneuten Blamage ist offenbar so groß, dass die Show lieber direkt begraben wird.

Statt die eigenen Fehler zu hinterfragen, klopfen sich die Mainzer noch immer selbst auf die Schulter, kritisiert auch Oliver Kalkofe: "Die ZDF-Verantwortlichen versuchten sich derweil in selbstkritischer Analyse und kamen zu dem Schluss, dass halt 'das veränderte Sehverhalten der doofen Schweinezuschauer' Schuld sei am Niedergang der weltgrößten Wett-Show", fasst Kalkofe die Lage in einem Facebook-Kommentar zusammen. "Das Publikum hätte halt plötzlich keine Lust mehr auf langweilige mega-teuer aufgeblasene Oma-Schleim-Shows aus der TV-Steinzeit. Wären wir alle einfach so wie besprochen in unserer Entwicklung stehen geblieben oder eine Rolle rückwärts gekullert, hätten wir noch viele schöne gemeinsame Jahre des unterhaltsamen Stillstands zelebrieren können." Nun stellt Kalkofe dem ZDF die Existenzfrage: "Nur für "'Volle Kanne', 'Bergdoktor' und 'Fernsehgarten' sind die knapp 1,8 Milliarden im Jahr ja wohl kaum zu rechtfertigen."

Am 13. Dezember wird "Wetten, dass..?" zum vorerst letzten Mal die Nation spalten. Himmler will nicht ausschließen, dass der angestaubte TV-Klassiker "irgendwann noch einmal auflebt", doch zunächst einmal will die ZDF-Showredaktion jetzt "an neuen Ideen für den Samstagabend" arbeiten".

Ironischerweise sind die Einschaltquoten nun wieder angestiegen, nachdem "Wetten, dass..?" Ende Februar erstmals in seiner mehr als 30-jährigen Geschichte unter die Sechs-Millionen-Marke gefallen war: 5,85 Millionen Zuschauer bescherten dem ZDF einen Marktanteil von nur noch 19,3 Prozent. Für die gestrige Ausgabe meldet das Medienmagazin DWDL 6,84 Millionen Zuschauer und 23,1 Prozent. Lediglich 1,76 Millionen kommen allerdings aus der jüngeren Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen, in der das Interesse an der Show im Vergleich zum Februar weiter gesunken ist. Dennoch schob sich die ZDF-Sendung wieder an "Deutschland sucht den Superstar" vorbei (1,66 Millionen in der Zielgruppe), dessen Liveshows bei den Fans keinen Anklang finden. Mit nur noch 3,16 Millionen beim Gesamtpublikum, einem Rückgang um 300.000 im Vergleich zur Vorwoche, steht auch die mit nicht minder starken Verschleißerscheinungen behaftete RTL-Castingshow vor einer ungewissen Zukunft.

06.04.2014 - Michael Brandes/wunschliste.de
Bild: ZDF/Svea Pietschmann

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